Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

getroffen werde, erkläre der Kaiser, jeden Angriff auf Russland von Seite der Pforte oder einer anderen Maciit, nicht allein als casus foederis, sondern auch als gemeinsame Sache zu betrachten. Demgemäss werde er in dem zu entbrennenden Streite die Partei für die Kaiserin ergreifen und sie mit allen seinen Kräften unter­stützen, ohne dadurch die Sicherheit der eigenen Staaten zu gefährden. In keinem Falle würde er aber ohne Einbeziehung Russlands Frieden oder Waffenstillstand für sich allein schliessen. Der Kaiser bitte schliesslich die Kaiserin, die vorerwähnten Verpflichtungen so anzu­sehen, wie er es selber thue und denselben Glauben beizumessen, als ob sie unter den heiligen Gesetzen des feierlichsten Vertrages contra- hirt worden wären. Aus Gegenseitigkeit erwiderte die Kaiserin Katharina in einem Schreiben vom 24. Mai an Kaiser Josef dieselben Zusagen. Den Frieden von Teschen behalte sie sich vor, gewährleiste dann Österreich die Gebiets-Integrität, ferner die mit der Pforte abgeschlossenen Friedens­verträge von Passarowitz 1718, von Belgrad 1739, die Convention bezüglich der Grenzbestimmung von 1741, jene von 1747, betreffend die Friedensverlängerung, und endlich die von 1775 wegen Einver­leibung der Bukowina in den österreichischen Staatsverband. Im Übrigen verspreche die Kaiserin, die pragmatische Sanction aufrecht zu halten und wenn die Staaten des Kaisers von einer Invasion bedroht werden sollten, ihm mit der ganzen Macht Russlands beizustehen. Auf diesem Wege wurde ein Biindniss vereinbart, welches in der nächsten Decade die Geschicke Europa’s beherrschte. Gegen die Türkei war es mehr eventuell als positiv, gegen die übrigen europäischen Reiche hielt es an den bestehenden Zuständen fest. Der alte Allianz-Tractat zwischen Russland und Preussen erhielt durch das neue Bündniss einen Riss, der nicht mehr so leicht zu über­kleben war, denn Russland trat in den allgemeinen Verwicklungen der europäischen Verhältnisse auf die Seite von Österreich. Durch das im Jahre 1756 mit Frankreich geschlossene, wenn auch in der letzten Zeit gelockerte Bündniss, war es der Staatskunst des Fürsten Kaunitz und der Kaiserin Maria Theresia gelungen, die Seemächte England und Holland in Schranken zu halten und die Besitzungen des Hauses Österreich in Belgien und Italien zu sichern. Durch die neue Allianz mit Russland durfte Kaiser Josef hoffen, die im Frieden von Passarowitz erworbenen und im Frieden von Belgrad wieder abgetretenen Gebietstheile von der Türkei zurück­zugewinnen, sowie das im Frieden von Teschen fallen gelassene Project des Eintausches der Niederlande gegen Bayern zu verwirklichen. Es dauerte nicht lange, und das neue Bündniss zwischen Öster­reich und Russland sollte die Probe bestehen. Während die im Kriege befindlichen Westmächte durch die Dazwischenkunft der Höfe von

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