Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

jedoch mit dem König Friedrich II. sich zu Überwerfen. Mit der Türkei hingegen könnte sie sich unmöglich vereinigen; sie würde die Pforte niemals angreifen, sondern den Angriff von ihrer Seite abwarten. Schliesslich verlangte der Kaiser behufs der Herstellung eines intimen Verhältnisses zwischen den beiden Kaiserhöfen die Garantie des beiderseitigen Besitzstandes mit dem Beifügen, dass Russland dasselbe Preussen gegenüber thun könnte. Der Kaiserin sagten die Zumuthungen über die gegenseitigen Garantieleistungen nicht zu, indem sie ihre künftigen Eroberungen darin inbegriffen haben wollte. Indessen einigte man sich dahin, dass Kaiser Josef mündlich verspreche, niemals ein Bündniss mit der Türkei gegen Russland einzugehen und dass die Kaiserin eine ähnliche Zusage Österreich gegenüber mache. Bezüglich der Fassung und Form des Garantie-Vertrages wurde beschlossen, die Verhandlungen darüber den Ministerien zu überlassen. * Der Kaiser, welcher über Lemberg, Brody, Kiew, Tschernigow, Mohilew, Smolensk und Moskau nach Petersburg gekommen, schied unbefriedigt von der Kaiserin, wie aus nachstehendem Briefe vom 18. Juli 1780 an die Kaiserin Maria Theresia zu ersehen ist: „Ich sehe immer mehr ein, dass man zur Rettung Deutschlands uns in Italien einige Bissen hinwerfen und dafür mit den Türken nach Belieben schalten und walten wolle. Ich wiederholte der Kaiserin Katharina öfter, dass wir keine Vergrösserungen, weder in Deutsch­land, noch anderswo wünschten, dass wir aber auch dem König von Preussen nicht gestatten könnten, durch Erwerbung oder durch Gebiets­austausch, seine Länder mehr abzurunden, weil dessen Erbitterung gegen uns bei allen Gelegenheiten sichtbar hervortrete. Trotz aller schönen Worte und freundschaftlichsten Demonstrationen bin ich hier weder ganz dupe noch blind geworden. Ich würde niemals der Recht­lichkeit und Aufrichtigkeit der Russen Vertrauen schenken; sie glaubten mich geblendet zu haben, hiedurch aber sah ich, da sie mit ihren Anstrengungen weniger zurückhielten, durch meine Augenbinde um desto natürlicher ihr ganzes Treiben und werde daraus Vortheil ziehen.“ Obgleich nichts festgesetzt oder vereinbart war, als der Kaiser Russland verhess, hatte seine Anwesenheit in Mohilew, Moskau und Petersburg doch eine grosse Nachwirkung geäussert. Ein persönliches Verhältniss war angebahnt und eingeleitet, welches eine Veränderung in den Beziehungen der Höfe ankündigte und der Kaiser hatte das colossale Reich, welches er in dem grossen Umfange von Lemberg über Brody, Kiew, Tschernigow, Mohilew, Smolensk, Moskau, Peters­burg, Narwa, Riga, Kowno, Grodno, Zamosc und Zator durchreist hatte, kennen gelernt. In seinen Briefen spricht er sich über die Strassen, grossen Städte und die militärischen Einrichtungen — in letzterer Beziehung namentlich über die maritimen Etablissements —

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