Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1882)

Josef Rechberger Ritter von Rechkron, Oberstlieutenant im k. k. Kriegs-Archive: Wien's militärische Bedeutung (Eine historische Studie)

306 Wien’s militärische Bedeutung. dürfe. Vergeblich erwartete er den Zuzug der Siebenbürger und darum musste auf die geplante Belagerung verzichtet werden. Auch im denkwürdigen Jahre 1683 waren es die Wälle, welche die Stadt vor Verwüstung bewahrten, und die Annäherung des Ent­satzheeres der Zeit nach ermöglichten. Sie setzten zum zweiten Male den türkischen Verheerungen ein Ziel, die sich sonst über ganz Süd­deutschland ergossen hätten. Ohne Wälle und heldenmüthige Vertheidiger wäre Wien, so wie Ofen und Raab der Sitz eines türkischen Pascha geworden. Abermals haben in diesem so ruhmvollen Jahre, aus welchem Starhemberg’s Heldengestalt in schmuckloser Erhabenheit hervorragt, Wien’s Bürger ihre letzten Fibern angespannt, die höchsten menschlichen Güter gegen die Übermacht zerstörender feindlicher Kräfte zu schützen und sie den Nachkommen und Stammesgenossen zu erhalten. Zu dieser Zeit waren die Courtinen der Umwallung durch Graben- scheeren gedeckt. Nur jener Theil der Stadt, welcher auch heute dem Donaucanale zugewendet ist, hatte noch die ursprüngliche Ringmauer mit den im Rechtecke erbauten Thürmen. Während der Türkenbelagerung 1683 war auch auf dem linken Ufer des Donaustromes, unmittelbar vor dem Brückenausgange, eine Verschanzuug in Form eines einfachen Brückenkopfes angelegt, und auf den die Bastione der Stadt verbindenden Courtinen befanden sich mehr oder weniger breite Wallgänge. Im spanischen Suceessionskriege bedrohten Wien 1703 die Bayern und 1707 Carl XII. von Schweden. Da in dieser Geschichtsepoche auch die ungarischen Malcontenten plündernd und verwüstend March und Leitha überschritten, ja selbst sich bis in die Vorstädte ') Wien’s wagten, wurden zu deren Schutz die heute noch bestehenden Linienwälle im Jahre 1704 angelegt und in der Form eines tenaillirten Werkes erbaut. Als im österreichischen Erbfolgekriege die bayerisch-französischen Eroberungen keine Grenze zu haben schienen, waren die Truppen beider Mächte 1741 bereits über St. Pölten vorgedrungen. Nur dem Umstande, dass man kaiserlicherseits nicht säumte, „Wien in guten Vertheidigungs- stand zu setzen“, war die Abwehr der Gefahr für unsere Monarchie zu danken. Denn der Feind wagte es nunmehr nicht, weiter gegen die Kaiserrcsidenz vorzudringen, sondern er zog über Krems nach Böhmen * *). ') Die Vorstädte mit der noch heute üblichen Benennung: Kossau, Alservor- stadt, St. Ulrich, Spittclberg, Laimgrube, Wieden, Landstrasse uud Leopoldstadt umgaben ringförmig mit mehr oder minder breitem Häusercomplexe die befestigte innere Stadt, durch ein Glacis getrennt. Eine wesentliche Lücke im Zusammenhänge der einzelnen Vorstädte befand sich zwischen Wieden und Landstrasse, und zwar dort, wo heute das k. k. Belvedere und der Schwarzenberg-Garten sich befinden. *) In Linz hatte Carl Albrecht, der Churfürst von Bayern, bereits den Titel eines Erzherzogs von Österreich angenommen, in Prag liess er sich zum Könige von Böhmen ausrufen und bald darauf eilte er dem Rheine zu, um sich die Kaiserkrone der Deutschen auf's Haupt zu drücken.

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