Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)
Tagebuchblätter aus dem Jahre 1805
506 Tagebuchblätter aus dem Jahre 1805. zu behandeln; demgemäss sei diese Colonne schon als gefangen anzusehen und dürfe von da nicht mehr weiter. Als mir mein Bataillons-Adjutant diesen höchst unangenehmen Zwischenfall rapportirte, sprengte ich sogleich zu jenem Garde-Chef vor und gebrauchte folgende List. Nachdem ich meine Officiere früher um mich versammelt hatte, damit sie Zeugen meiner Worte und meines Verhaltens seien, sagte ich zu dem Ersteren: „Mein Herr! Ich weiss nicht, von wem ich hier mit meiner Colonne aufgehalten werden kann, da ich doch von Seiner Hoheit dem Prinzen Murat den gemessensten Auftrag habe, mit diesem Bataillon direct nach Wien abzurücken und um l/2 12 Uhr pünktlich in der kaiserlichen Burg zur Aufwartung einzutreffen, allwo beide Majestäten sich befinden und wo auch bereits eine Abtheilung von unseren Grenadieren ein- marschirt ist. Ich glaube daher, mein Herr, dass Sie sich einer grossen Verantwortung aussetzen würden, im Falle ich diesem Befehle nachzukommen gehindert würde.“ Auf dieses ritt der Chef sammt seinem Adjutanten einige Schritte bei Seite, beide flüsterten sich einander etwas zu und lachten; hierauf kehrte der Erstere wieder zu mir zurück und sagte: „Bien, Monsieur, passez!“ -— befahl sodann seinem Trompeter die Retraite zu blasen, worauf die ganze Abtheilung links der Strasse an die Häuser sich zurückzog. Nachdem dies geschehen, Hess ich meine Officiere eintreten und setzte meinen Marsch fort. Während ich knapp an der Front der feindlichen Abtheilung vorbeidefilirte, wagten es Mehrere von dieser Garde, ganz leise auf französisch an meine Leute der Avantgarde Fragen zu richten, ihr Officier befahl ihnen jedoch zu schweigen und die Truppe im Frieden zu lassen. Im selben Augenblicke hörte man schon gegen Stockerau zu ein Vorposten- oder Patrullen-Geplänkel, worauf der französische Officier uns auf deutsch zurief: „Viel Glück meine Herren, zu Ihrem Frieden und uns zur russischen Jagd!“ Ich sah mich nun zum zweiten Male mit meinem Bataillon und der Bagage aus einer kritischen Lage befreit und setzte meinen Marsch weiter fort. Der Mond begann heller zu scheinen und wir waren kaum 1000 Schritt über den Ort hinausgekommen, als wir mehrere Colonnen französischer Infanterie, theils längs der Donau, theils auf der Hauptstrasse gegen uns marschiren sahen. Bei Annäherung meiner Avantgarde Hess diese Infanterie-Colonne mit ihren Geschützen, bei welchen die Kanoniere mit brennenden Lunten marschirten, die eine Hälfte der Strasse für uns frei und ihr Anführer richtete an meinen voran marschirenden Officier die Frage, wohin der Marsch ginge? Die Antwort lautete nach meiner gegebenen Weisung. Nachdem ich diese etwa 8000 Mann starke Colonne passirt hatte und mich dem Orte Jedlersee näherte, traf ich hier auf fran-