Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)
Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - I. Die Ereignisse im Jahre 1736
rath gewiesen und in administrativer Beziehung ganz selbständig. Auch er musste jedoch, ausser in dringenden Fällen, über operative Angelegenheiten nach Wien berichten und wenn thunlich die Entscheidung abwarten. Seine Truppen hatten zunächst die Aufgabe, die Grenze zu decken; nach Massgabe der Verhältnisse beim Hauptcorps und den Fortschritten desselben sollte Prinz Hildburghausen in Bosnien ein rücken und das Land längs des Vrbas occupiren, um dadurch Biliac zu isoliren und die Türken zu hindern, sich in grösserer Zahl gegen die ganz unbewehrte Unna-Grenze zu wenden. Indess sollte es nach keiner Richtung hin zu ernsten kriegerischen Ereignissen kommen. Feldmarschall Graf Pálffy hatte allerdings mit dem grösseren Theile seiner Armee die Donau auf den Brücken bei Peterwardein und Semendria überschritten und das Lager bei Passarowitz bezogen, aber in derselben Zeit waren in Wien Nachrichten aus Petersburg eingetroffen, welche den Stand der Dinge entschieden änderten. Wenngleich der Kaiser nicht blos allein durch die Vertragstreue gegen Russland, sondern ebenso sehr auch durch das wohlverstandene eigene Interesse veranlasst wurde, aus der bis da beobachteten Passivität herauszutreten, so ist doch auch keinesfalls zu übersehen, dass sich seine ganze politische wie militärische Action ausschliesslich auf die Voraussetzung stützte, hiebei mit Russland Hand in Hand zu gehen und besonders die militärischen Unternehmungen im engsten Contact mit selbem durchzuführen. Nach den damaligen Territorial- Verhältnissen war Russland der entferntere, Österreich der unmittelbare, gefährlichste Gegner der Pforte; es war daher nur eine richtige Erkenntniss der Sachlage, wenn man in Wien die Möglichkeit erwog, dass die Türkei den Hauptschlag gegen den Kaiser führen und dieser dadurch in die Lage kommen würde, die Last und alle Chancen des Krieges ganz allein tragen zu müssen. Die militärischen Massnahmen des Kaisers basirten daher in erster Linie auf der positiven Versicherung Ostermann’s: Feldmarschall Münnich werde nach seiner Vereinigung mit Lacy die Operationen am 1. September wieder aufnehmen und bis Mitte November energisch fortführen, — andernfalls sollte der Kaiser von etwaigen Änderungen rechtzeitig in Kenntniss gesetzt werden. Das in letzter Zeit wieder lebhafter gewordene Drängen Russlands, seine Klagen über die Saumseligkeit des Alliirten, die schliesslich in dem Verlangen culminirten: der Kaiser möge der Pforte unverweilt den Krieg erklären, — dies Alles konnte als eine natürliche Consequenz der bevorstehenden Action Russlands und als eine Bestätigung der gemachten Versicherungen erscheinen. Nun aber meldeten die Berichte aus Petersburg nicht nur nicht das Mindeste von russischen Operationen, sondern es kam trotz aller Vorsicht endlich doch die Wahrheit über die letzten Ereignisse am Kriegs266 Der Krieg mit der Pforte 1736—39.