Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Um diesen Kundgebungen der Notablen entgegenzuwirken, trat am 13. Juli der Provinzialrath mit Mitgliedern des aufgelösten Volks­ausschusses zu einer Sitzung zusammen, und es stimulirte sodann ein Mufti aus Taslidza, im Beisein des neuen Militär-Commandanten Hafiz Pascha, der aus dem Sandschak Novibazar in Sarajevo angekommen war, die Versammlung zum Widerstande, mit Hinweis auf die von den Russen in Bulgarien begangenen Greuelthaten. Die k. u. k. Truppen würden mit Leichtigkeit zurückgeworfen werden können; gemäss den Satzungen des Korans sei jeder Gläubige bei seinem Seelenheile ver­pflichtet, den Feind zu bekämpfen, und ohne Rücksicht auf Hab und Gut in’s Feld zu rücken; denjenigen Muhammedanern, welche sich bei­kommen Hessen, dieser Sentenz nicht Folge zu leisten, müssten die Häuser geplündert und niedergebrannt, sie selber aber in die Ver­bannung geschickt werden; Niemand habe die Möglichkeit des Sieges oder der Niederlage in Betracht zu ziehen; Jedermann müsste sich vor Augen halten, dass der Tod von Feindeshand ein das Paradies auf- schliessendes Martyrium für den Glauben sei. Auf diese Ansprache erklärte sich die Mehrheit der Versammlung bereit, das Land sogleich zu den Waffen zu rufen. Hafiz Pascha schien die leidenschaftlichen Ausbrüche des Fana­tismus nicht zu theilen, da er die vorgebrachten Argumente zu wider­legen versuchte. Die Versammlung, bemerkte der General, mache sich ganz irrige Vorstellungen von der Disciplin der österreichisch-unga­rischen Truppen und namentlich von ihrem Benehmen gegen Frauen und friedliche Bewohner. Seine Aufgabe bestehe darin, die Occupation in Ordnung vollziehen zu lassen und nur dann, wenn zwischen den zwei Nachbarstaaten kein Einverständniss über die Detailfragen erzielt werden sollte, einen Protest den einrückenden Truppen zu übergeben. Wenn das Volk zu den Waffen greife, so thue es dies auf eigene Gefahr und Rechnung. Die Armee werde sich ferne halten und strenge nach den Befehlen des Kriegsministeriums handeln. Als die Pforte gegen Montenegro und Serbien den Krieg führte, wurde die Bevöl­kerung aufgerufen zur Vertheidigung des Landes, kam aber dem Auf­rufe nicht nach. Ungeachtet dieser abmahnenden Worte eines mit den Verhält­nissen bekannten populären Heerführers blieb die Versammlung bei ihrem Beschlüsse, nach Constantinopel zu telegraphiren, dass Bosnien bereit sei, in Massen gegen die fremden Truppen sich zu erheben1). Diese politische Zerfahrenheit, in die Armee sich verpflanzend, fand in einem Theil derselben Stütze. Zwischen den politischen und militärischen Verhältnissen der Provinz nahm man keinen wesent­lichen Unterschied wahr, obwohl die Centralgewalt in Constantinopel sich bestrebt hatte, manche Versäumnisse früherer Zeit wieder gut zu machen. In der Stunde der Gefahr sollte der Fanatismus der Massen Alles ersetzen, was vernachlässigt und nicht vorgesehen war. 74 Die Ereignisse in Bosnien und der Hercegovina v. Jahre 1875 bis Ende Juli 1878. ’) Bericht des General-Consulats in Sarajevo vom 15. Juli 1878-

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