Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

30 Vorgeschichte. Kaisermächte erfordert die zeitweilige Lage der Türkei eine doppelte Reihe von Massregeln: zuvörderst erscheint es als eine dringende Pflicht Europas, ähnlichen Vorkommnissen, wie sie sich in Salonich ereignet haben, und wie sie jüngster Zeit auch in Smyrna und Constantinopel auszubrechen drohen, vorzubeugen. Zu diesem Ende mussten die Gross­mächte sich über die nöthigen Schritte verständigen, um allenthalben, wo Leben und Eigenthum ihrer Bürger oder auch der christlichen Unterthanen der Türkei gefährdet erscheinen, zum Schutze derselben handelnd aufzutreten.“ „Dieser Zweck würde durch die Entsendung von Kriegsschiffen nach den bedrohten Punkten und durch die gemeinsame Ausgabe solcher Weisungen an die Schiffsbefehlshaber erreicht werden, welche dahin zielen würden, im Nothfalle ein gemeinsames bewaffnetes Vorgehen zur Aufrechthaltung der Ordnung und der Ruhe zu er­möglichen.“ „Trotzdem wird dieses Ziel nur unvollkommen erreicht werden können, so lange nicht der Ausgangspunkt aller Unruhen mit der Beruhigung Bosniens und der Hercegovina erstickt ist.“ „Dieser Gedanke war die Ursache, welche die Grossmächte zur Absendung der Depesche vom 30. December veranlasste, in welcher, ohne den politischen status quo anzutasten, eine Verbesserung der Lage der Hercegoviner und Bosniaken von der Pforte verlangt wurde. Die Pforte erwiderte auf jene Rathschläge der Mächte, dass sie fest ent­schlossen sei, die geforderten Reformen durchzuführen. Daraus ergab sich nun die moralische Pflicht für die christlichen Staaten Europa’s, die Aus­führung dieser Versprechungen zu überwachen und energisch darauf zu bestehen, dass auch die Aufständischen und Flüchtlinge durch Aufgeben des Kampfes, beziehentlich der Rückkehr in ihre Heimat, das Friedenswerk unterstützen.“ „Dieses Programm, obzwar von allen Parteien angenommen, hat indessen im Verlaufe seiner Durchführung ein doppeltes Fiasco erlitten. Die Aufständischen glaubten, nach den Erfahrungen der Vergangenheit, sich nicht ohne positive Schutzmassregeln der Mächte an die Pforte ausliefern zu dürfen, und letztere erklärte ihrerseits, dass die Durch­führung einer politischen und wirthschaftlichen Neugestaltung des Landes thatsächlich unmöglich sei, so lange bewaffnete Banden das Land durchstreiften und die Flüchtlinge sich nicht zur Rückkehr in die Heimat entschliessen könnten.“ „Inzwischen sind die Feindseligkeiten auf’s neue ausgebrochen, und die Aufregung, welche der nunmehr schon achtmonatliche Kampf im Gefolge hatte, hat sich auch bereits den anderen Provinzen der Türkei mitgetheilt. Die muselmännische Bevölkerung musste daraus schliessen, dass die Pforte nur nothgedrungen in Folge der eindring­lichen Vorstellungen der Mächte jene Reformen verheissen habe, in Wahrheit aber durchaus nicht geneigt sei, dieselben in Wirksamkeit treten zu lassen. Hieraus ergab sich eine Erregung der politischen Leidenschaften, welche die traurigen Begebnisse von Salonich im Gefolge hatte, demnächst auch an anderen Orten der Türkei die

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