Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Vorgeschichte. 19 ständnisse machte, dafür aber die von den Consular-Delegirten zur Kenntniss der Pforte gebrachten Vorbedingungen der Insurgenten verwarf, worauf jede Aussicht auf ein Eingehen in directe Verhand­lungen verschwand. Eine veränderte Anschauung der Verhältnisse und die blutigen Ereignisse in der Hercegovina und Bosnien hatten mittlerweile die österreichische Regierung zur Ergreifung anderer Massnahmen in dieser Angelegenheit bestimmt. In den Ende September tagenden Ausschüssen der Delegationen bezeichnete der k. u. k. Minister des Aeussern ein Dreifaches als die Aufgabe der österreichisch - ungarischen Politik: Wahrung der österreichischen Interessen, Erhaltung des europäischen Friedens und möglichste Beseitigung der Missstände, welche die Rajahs in Bosnien und der Hercegovina zu ihrem Verzweiflungsschritte getrieben. Diesem Programme gemäss legte Graf Andrássy, sowie er die zusichernden Erklärungen bezüglich der Vermeidung bewaffneter Zusammenstösse auf der Balkan-Halbinsel erhalten und die Wünsche und Aspirationen der Insurgenten kennen gelernt hatte, mit Zustimmung der drei Nordmächte die bessernde Hand an die unter den bisherigen Verhältnissen als hoffnungslos sich darstellende Reform der herr­schenden Zustände in der Hercegovina und Bosnien an. In einer an die Vertreter Oesterreich-Ungarns in London, Paris und Rom gerich­teten Depesche vom 30. December 1875 zeichnete der k. u. k. Minister des Auswärtigen ein förmliches Reformprogramm vor, welches der Pforte den 31. Januar 1876 überreicht und von den Signatarmächten des Pariser Friedensvertrages unterstützt wurde. Diese die Verhältnisse im Orient beleuchtende und zum Verständniss der diplomatischen Action unentbehrliche Staatsschrift — (Wiener Memorandum) — lautete folgendermassen: „Die drei nordischen Höfe haben seit Anbeginn der Unruhen in der Hercegovina sich nach gegenseitigem Austausch ihrer Auf­fassungen geeinigt, um gemeinschaftlich die Mittel zur Friedensstiftung in Anwendung zu bringen. Die übrigen Cabinete beeilten sich auf die Einladung, sich durch ihre Vertreter in Constantinopel denselben anzu- schliessen, ihre Bemühungen mit den unsern zu verbinden. Die Mächte haben sich ins Einvernehmen gesetzt, um allen ihnen zu Gebote stehenden Einfluss dahin aufzubieten, dass der Kampf localisirt und die Gefahren und Uebelstände desselben vermindert werden, indem sie Serbien und Montenegro verhinderten, sich an der Bewegung zu betheiligen. Ihre Sprache war um so wirksamer, als sie identisch war und daher von dem festen Willen Europa’s Zeugniss ablegte, keine Gefährdung des allgemeinen Friedens durch unbesonnene Ueber- stürzungen zu gestatten. Die Cabinete haben überdies der türkischen Regierung die guten Dienste ihrer Consular-Agenten zur Mitwirkung an der Beschwichtigung des Aufstandes angeboten. In dem Verfolge dieser Aufgabe haben sie in gleicher Weise Sorge dafür getragen, jede Einmischung zu vermeiden, und die Würde, die Rechte und die Autorität des Souveräns zu schonen. Die Delegirten durften sich weder zu einer Enquete-Commission aufwerfen, noch sich zu Advocaten der

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