Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)
Betrachtungen über die Schlacht bei Solferino
44 Betrachtungen über die Schlacht bei Solferino. verwandelten und blos Theile der II. Armee zum momentanen Stillstände an wiesen, änderten das Wesen der Tags vorher festgestellten operativen Bestimmungen nicht. Da unter allen Bedingungen ein Befehl, so lange er nicht durch eine andere Verfügung rückgängig gemacht oder durch inzwischen eingetretene Verhältnisse unausführbar geworden ist, an und für sich schon bindend bleibt, so hätten eigentlich der rechte und linke Flügel auch ohne diese formelle Bestätigung der ursprünglichen Anordnungen, die vorgezeichneten Bewegungen beginnen müssen. — In ähnlicher Lage, wie das österreichische Heer am Vorabende der Schlacht von Solferino, befand sich die deutsche Armee am Tage vor der Schlacht bei Vionville. Die aus dem grossen Hauptquartier eingegangenen Mittheilungen, so wie auch Berichte einzelner Heerestheile hatten bei dem Ober- Commando der II. deutschen Armee die Überzeugung hervorgerufen, dass ein eiliger Rückzug der französischen Armee nach der Maas bereits im vollen Gange, und dass es daher nothwendig sei, dem Gegner sofort zu folgen. Diese Auffassung und die Absicht, mit der Hauptmasse der Armee am 16. August 1870 die Mosel zu überschreiten, waren bereits am 15. Vormittags dem grossen Hauptquartiere gemeldet worden. Da von dorther eine anders lautende Weisung nicht eingieng, so hatte Prinz Friedrich Carl um 7 Uhr Abends folgende Anordnungen für den 16. August erlassen: Zu einem grösseren Vorstosse gegen die Strasse nach Verdun wurden das 3. und 10. Armee-Corps und die denselben zugetheilten beiden Cavallerie-Divisionen bestimmt. Ersteres wurde angewiesen, sich über Gorze gegen Vionville und Mars la Tour zu wenden; das 10. Corps sollte seinen Vormarsch von Thiaucourt bis St. Hilaire und Maizeray fortsetzen etc. Die 5. Cavallerie-Division Rheinbaben hatte schon am 15. August Recognoscirungen gegen die Strasse Metz-Mars la Tour-Verdun unternommen und feindliche Truppen, welche in ihren Lagern auf etwa 20.000 Mann geschätzt wurden, beobachtet ’). Am 16. August stiess das 3. Armee-Corps (Alvensleben), statt auf schwache feindliche Abtheilungen, auf die Hauptmacht der Franzosen, und es entbrannte ein furchtbarer Kampf. Als das Corps das Gefecht aufnahm, war es sich dessen nicht bewusst, welche ungeheure Übermacht es gegen sich hatte. Indessen stand es ihm klar vorgezeichnet, dass es nach der operativen Lage und den auszuführenden Dispositionen, unbekümmert um alle ferneren taktischen Chancen, keinen andern Gedanken zu verfolgen hatte, als sich in den Besitz des ihm bezeichneten Terrainabschnittes zu setzen, wobei die im nächsten Bereiche befind- *) *) Entspricht der Recognoscirung des Majors v. Appel.