Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)
Beiträge zur vaterländischen Geschichte. II. Major Moriz Edlen von Angeli: Die kaiserliche Armee unter dem Ober-Commando des Markgrafen Ludwig von Baden in den Feldzügen 1689-92 gegen die Türken - B. Der Feldzug 1690 in Serbien und Siebenbürgen
218 Beiträge zur vaterländischen Geschichte. Am 2. November 1689 wurde der unfähige Grossvezier Mustafa seiner Würde entsetzt, und Mustafa Köprili mit der Leitung der Staats-Angelegenheiten betraut. Von eben so scharfem, durchdringendem Verstände, als energischer Willenskraft und beseelt von edelstem Patriotismus, erkannte er mit richtigem Blicke, dass die Schwäche des Reiches weit weniger eine Folge der Niederlagen im Felde, als der grenzenlosen Misswirthschaft im Staate sei, durch welche die Entartung der Sitten, der Verfall des kriegerischen Geistes, das Schwinden der Volkskraft hervorgerufen wurden. So wie Köprili kein Hehl aus seiner Überzeugung machte und dem Volke offen die Sünden vorhielt, welche seinen Nacken unter den Fuss der so lange besiegten „Ungläubigen“ beugten, so sah er auch nur in durchgreifenden Reformen das einzige Mittel, den wankenden Staat zu stützen, und besass Selbstverleugnung genug, dieselben auch in jenen Richtungen durchzuführen, wo ein uraltes, religiöses und nationales Herkommen unübersteigliche Schranken aufgerichtet zu haben schien. Obwohl selbst ein strenggläubiger Moslim und durchaus kein Freund der Christen, begriff er doch vollkommen, dass die übermässige Präponderanz des rein moslimitischen Elementes, welche sich in schrankenloser Tyrannei und Erpressung seitens der Statthalter aussprach, der vornehmste Grund jener tiefgehenden Spaltung sei, welche die Kraft des Reiches schädigte und zahlreiche Stämme (Serbier, Clementiner, Morlachen, Albanesen etc.) in die Reihen der Feinde trieb. Diese Widersprüche zu versöhnen, erliess er die strengsten Befehle an alle Statthalter, die Christen schonend zu behandeln und von ihnen keine anderen Abgaben als die Kopfsteuer zu verlangen; ja er setzte sogar einen Christen, Liberius Geratschari, zum Beg der Maina ein. Köprili war der erste türkische Staatsmann, der durch besondere Gesetze (Nizami dschedid) der Rajah ein menschenwürdiges Dasein sicherte. Kaum an’s Ruder gelangt, gieng er mit rücksichtsloser, aber bewusster Energie auch an die Reform des Staatshaushaltes. Entgegen dem Gebrauche seiner Vorgänger, in einer immer höher getriebenen Steuerlast die Mittel für die Wehrhaftigkeit des Staates zu suchen, hob er viele drückende Steuern, die Ursachen so vieler Revolten, auf, füllte dagegen aber die Staatscassen, indem er den früheren Würdenträgern ihre durch langjährige Erpressungen angehäuften Reichthümer mit unbarmherziger Strenge wieder abnahm. Das überflüssige Silber des Serails, so wie sein eigenes, schickte er in die Münze und brachte durch voranleuchtendes Beispiel in jeder Beziehung, die Staatsmaschine in unglaublich kurzer Zeit wieder zu geregelter Function. Glühend die Wiedererhebung seines Volkes anstrebend und wohl erkennend, dass seine reformatorische Thätigkeit nur dann günstigen Erfolg haben könne, wenn sie sich auf Stabilität und Wafifenerfolge stütze, befreite er sich mit echt orientalischer Grausamkeit von allen Anhängern