Zs. Kakuk (Hrsg.): Kasantatarische Volkslieder auf Grund der Sammlung von Ignác Kúnos.
Vorwort
VORWORT In den blutigen Tagen des ersten Weltkrieges kamen Kriegsgefangene aus den verschiedensten Gebieten des mächtigen Russischen Reiches in den Gefangenenlagern auf dem Gebiet der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zusammen. Unter ihnen haben die Wissenschaftler Volksgruppen gefunden, die ihnen ein interessantes Material im Bereich der Volksmusik, Ethnographie und Volkssprache lieferten. Der Volksmusikforscher R. LACH hat im Gefangenenlager am Eger in Böhmen seine reiche Volksliedsammlung notiert und auf Phonographenplatten aufgenommen [1]. Im Gefangenenlager neben Wilnsdorf (Österreich) hat G. WEIL seine wertvollen tatarischen Texte auf Platten aufgenommen [2], In Ungarn befand sich ein Lager in Kenyérmező in der Nähe der Stadt Esztergom. Unter den Kriegsgefangenen finnougrischer Muttersprache haben hier B. MUNKÁCSI, B. VIKÁR, Ö. BEKE, J. BALASSA und andere Lieder und Texte gesammelt. Ignác KÚNOS, dessen ausserordentliches Interesse der türkischen Folklore galt, liess natürlich die Möglichkeiten nicht unausgenutzt, welche die ungewöhnlichen Umstände boten. Zwischen 1915 und 1918 hat er die Gefangenenlager am Eger und in Kenyérmező mehrmals aufgesucht, wo die mohammedanischen, verschiedene türkische Sprachen sprechenden Kriegsgefangenen in gesonderten Gruppen untergebracht waren. Die mohammedanischen Bewohner des Lagers in Kenyérmező stammten in der Mehrheit von der Halbinsel Krim sowie aus der Gegend des Kaukasus und der Wolga. In dem Lager am Eger wohnten Kasantataren, Mischären, Baschkiren, Kumiiken, Nogajen und Türkmenen. Das unter den türkischen Bewohnern der beiden Lager gesammelten Material von etwa 1200 Blättern wurde 1951 durch die Ungarische Akademie der Wissenschaften von Ignác KÚNOS' Witwe erworben, und deren Östlichen Sammlung übergeben [3]. Die Blätter von der Grösse eines Halbbogens sind einseitig in dichten Zeilen, aber gut leserlich von Hand beschrieben. Auf dem Schauplatz hat KUNOS seine Aufzeichnungen wahrscheinlich in Hefte notiert — davon zeugt auch ein vor kurzem gefundenes Heft —, und sie später auf diese Blätter ins reine übertragen. Bei dem Uberwiegenden Teil der Prosatexte ist auch eine ungarische Übersetzung vorhanden. Es ist wahrscheinlich, dass KUNOS zu jedem Text die entsprechende Übersetzung anfertigte, aber entweder gingen sie in einigen Fällen verloren oder befinden sich noch irgendwo unentgedeckt. Ein grosser Teil des Versmaterials wurde nicht nur ins Ungarische, sondern auch ins Türkische übersetzt.