Zalai Múzeum 4. (Zalaegerszeg, 1992)
Pickl, Othmar: Die Kapitulation der Festung (Nagy) Kanizsa der „Hauptfestung des Ottomanischen Reiches” am 13. April 1690 (Zum 300. Jubiläum der Kapitulation der letzten türkischen Garnison Transdanubiens)
Die Kapitulation der Festung (Nagy) Kanizsa der ,.Hauptfestung des Ottomanischen Reiches ' ' am 13. April 1690 89 zung dazu gezwungen habe. Weil er (der Aga) ein alter Mann sei, wolle er inn mit seinem Wagen hinausführen lassen, damit er bei ihm zu Mittag speise. Nach dem Ende dieser Zeremonie iibergab General Batthyány dem Oberstwachtmeister Wizezki (= Bisterszky), einem Böhmen, am 13. April 1690 gegen 12 Uhr Mittag die Schlüssel und bis auf weitere kaiserliche Befehle auch das Kommandó über die Festung. Der Oberstwachtmeister lieB sogleich die Wachen besser mit deutschen Soldaten besetzen und kommandierte 100 Haiducken zum Hauptposten gegenüber der obgenannten Tschartake, um das Raitzen-Tor (d.h. wohl das Tor I in Plan 2) zu beobachten. Danach bestieg General Batthyány selbstvierter (d.h. zu viert) dieBatterien undbesichtigte den Platz (,,situm loci") . Sodann begab er sich in sein Lager zurück und lud den Janitscharen-Aga samt drei anderen Türkén zum Mittagessen. Als aber dem Aga eine Schale Kaffee gereicht wurde, weigerte sich dieser, den Kaffee zu trinken und erklárte: Er sei eher béreit, sofőrt einen aufrechten Tod zu sterben, als durch eine ,,vermischte Schale Kaffee" sein Leben zu lassen. Er fiirchtete also, dali der Kaffee vergiftet sei. Graf Batthyány erklárte ihm daraufhin in deutscher Sprache, es sei nicht daran gedacht, inn (den Aga) mit Gift hinzurichten, wie sie, die ,,türkischen Hunde", dies mit den Christen zu tun pflegten. Daraufhin nahm der General die Schale Kaffee und trank sie selbst aus. Dem Aga aber lieB er au s dem gleichen Geschirr eine andere Schale Kaffee einschenken. 50 Mit dieser Episode schlieBt der am 13. April 1690 verfaBte auBerordentlich intéressante Bericht, der vor allem durch die prázise Beschreibung der Zivil- und Festungsstadt Kanizsa bemerkenswert ist und gute Vergleiche mit unseren Festungsplânen (Nr. 1 und 2 des 16. Jahrhunderts, Nr. 4 von 1687 und Nr. 3 von 1700) erlaubt. Der Abtransport der türkischen Garnison Offenbar trat die türkische Garnison in den folgenden Tagén — nachdem sich vier ungarische Offiziere als Geiseln zum Pascha bégében hatten — unter dem „Convoy", d.h. unter dem Begleitschutz kaiserlicher Truppén, den Marsch nach Legrad an. Am 17. April meldete Graf Batthyány, dali der Abzug der Türkén aus Kanizsa abgeschlossen und diese Festung mit einer deutschen „Mannschaft" und einer geringeren Zahl ungarischer Truppén besetzt worden sei. 51 Nur wenige Tagé spáter, am 20. April 1690, meldete die deutsche Besatzung, dali die Türkén in der Festung Kanizsa 33 brauchbare und 24 unbrauchbare metallene Geschütze bzw. Poller sowie sechs brauchbare eiserne und fünf unbrauchbare eiserne Geschütze zurückgelassen hatten 52 (vgl. Anhang 1). Unter den brauchbaren Stücken befanden sich u.a. eine 48-pfündige ganze Kartaune, fünf 24-pfündige halbe Kartaunen sowie zwei 36-pfündige ganze Notschlangen und drei 18-pfündige halbe Notschlangen, weiters Falkonetten, Regimentsstücke und eine 16-pfündige Steine verschieBende Haubitze. Die Hofkammer entschied, daB das Metall der unbrauchbaren und zersprungenen Stücke und Poller zum GieBen neuer Geschütze verwendet werden sollte, wáhrend die brauchbaren Geschütze an die italienische , .Meerporten-Grenze" gebracht werden sollten, wo man künftige Auseinandersetzungen mit den Venezianern befürchtete. 53 Leider erfahren wir nicht, welche Stárke die türkische Garnison der Festung Kanizsa zur Zeit der Kapitulation hatte. Wir hören jedoch, daB zu ihrem Abtransport auf dem Wasserweg der Drau von Legrad nach Osijek/Esseg 62 ganze Plattén (zum Preis von 40 fi das Stück) und 20 Dreiviertel-Plátten (zum Preis von 30 fi pro Stück) notwendig waren. Das ergibt die beachtliche Zahl von 82 Plattén, von denen 20 zum Transport der vornehmen und kranken Türkén ,,eingedeckt", d.h. mit Aufbauten versehen worden waren. 54 Da auf einer ganzen Platté 10 t und auf einer Dreiviertel-Plátte ca. 7 t transportiert werden konnten, 55 war es zweifellos möglich, auf den insgesamt 82 Plattén neben den sonstigen Lasten — wie etwa dem Hab und Gut der abziehenden Türkén — und der jeweils vier Mann starken Besatzung jeder Platte 56 noch rund 1.600 bis 1.700 Personen zu befördern. So stark dürfte in etwa auch die abziehende türkische Garnison von Kanizsa gewesen sein. Die Kosten der 82 Plattén und der für die Aufbauten verwendeten Bohlen, Laden und Bretter sowie der Nágel betrugen insgesamt 3.415 fi; weitere 2.486 fi waren an Fuhrlohn und Arbeitskosten aufzuwenden. Die Schiffleute, d.h. jeweils vier Mann pro Platte, erhielten für die Fahrt von Legrad nach Osijek/Esseg für eine ganze Platté 32 fi und für eine Dreiviertel-Plátte 24 fi. Die Gesamtkosten von 5.901 fi sollten der Grazer Hofkammer aus der auBerordentlichen Kontribution des Jahres 1690 ersetzt werden. 57 Die Besetzung der Kommandantenstelle Um den Posten des Festungskommandanten von Kanizsa entbrannte gleichsam ein Wettlauf. Bereits am 24. Mârz 1690, d.h. an jenem Tag, an dem man sich mit der türkischen Garnison nach langen Verhandlungen endlich über die Kapitulationsbedingungen geeinigt hatte, bewarb sich der Oberstwachtmeister Bisterszky (= Wizezki unserer Relation) um die Kommandantenstelle dieser Festung. 58 Wenig spáter bat der Oberstwachtmeister Michael Kaiser den Hofkriegsrat, ihm entweder die Kommandantenstelle der Feste Szegedin oder Kanizsa zu ver-