A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 2005 (Debrecen, 2006)

Régészet, ókortudomány - Gesztelyi Tamás: Sol-Chritus in rota – Nagyszombat középkori pecsétjének ikonográfiája és ikonológiája

Tamás Gcsztelvi IKONOGRAPHIE UND IKONOLOGIE DES MITTELALTERLICHEN SIEGELS VON TIRNAL Die Publikation der vor Kurzem aufgetauchten zwei ältesten (1347, 1348), bis jetzt nicht ge­bührend beachteten großen Wachssiegel der Stadt Tirnau bewegt uns dazu, uns mit der Ikono­graphie dieser merkwürdigen Komposition und deren Interpretation zu beschäftigen (Abb. I). Diese stimmen nicht völlig mit der schon früher bekannten Kopie im Budapestéi' Historischen Museum (BTM) überein (Abb. 2). In der ungarischen Forschung beschäftigten sich in der zweiten Hälfte der 1990-er Jahre zwei Studien eingehend mit der besonderen Symbolik des letzteren Siegels. Beide versuchen die Ikonographie der Komposition ausgehend vom Rad der Fortuna zu erklären, in dessen Mittelpunkt die Facies Dei eine Palladium-Funktion hat. Auf den Esztcrgomer Siegeln erscheint ein Jünglingskopf in der Mitte, mit dichtem, in Wellen herabfallendem Haar, das Gesicht leider nicht erkennbar, aber, wie es scheint, bartlos. Das eigen­tümlichste Attribut aber ist der Strahlenkranz um den Kopf. Diese Strahlen befinden sich in glei­cher Entfernung und zeichnen überhaupt keine Kreuzform. Im Zentrum des Rades der Fortuna erscheint also der als Sonne erstrahlende Gott. In Psalm 84, 12 finden wir eine dazu passende Er­klärung: „...Gott ist die Sonne und der Schild". Nach der Beschreibung des Wappens von Tirnau: „Auf blauem Grund steht ein achtspei­chiges, goldenes Rad, an der Stelle der Achse ist der so genannte st.-veronikaartige goldene Chris­tuskopf zu sehen. Das Rad symbolisiert nach der mittelalterlichen Symbolik die Ewigkeit." Auf Grund der sich verzweigenden Symbolik des Rades können wir annehmen, dass der Hersteller oder Auftraggeber des Tirnauer Großsiegels seine Interpretation gegeben hat, als er durch die Um­schrift eindeutig machte, dass hier vom Rad der Fortuna die Rede ist. Wenn wir akzeptieren, dass das Rad der Fortuna das unmittelbare ikonographische Muster bedeutete, müssen wir darauf ver­weisen, dass die Komposition, indem sie das Antlitz von Sonne-Christus in den Mittelpunkt stellte, zum Vorläufer einer völlig neuen Interpretation wurde. Im 13. Jahrhundert erschienen in den Fassaden der Dome die riesigen Rosetten fenster, deren Ziel es war, den bisher in mystische Dämmerung getauchten Kircheninncnraum mit Licht und durch ihre bunten Glasfenster mit strah­lenden Farben zu erfüllen. Diese riesigen kreisförmigen Rosettenfenster Wurden auch Rota ge­nannt und als Sonne interpretiert. Wir müssen aber auch erklären, wie sich die im Siegel ausgedrückte Symbolik in die dama­lige christlich-theologische Denkweise integriert. Wie können in der Entwicklung der Ereignisse das unberechenbare und unbeständige Glück und die sich auf die ganze Welt erstreckende len­kende Rolle Gottes gleichzeitig präsent sein? Auf diese Frage finden wir die Antwort in Thomas von Aquins Summa Theologiae. Einerseits „unterliegt alles der göttlichen Vorsehung", anderer­seits „ist Gott der Vorsehcr des ganzen Seins und zu seiner Vorsehung gehört es, in einigen Ein­zelheiten manche Mängel zu erlauben, damit nicht das vollkommene Wohl des Weltalls scheitert". Darin besteht also das in der Scholastik formulierte Verhältnis, d. h. die Dialektik zwischen der göttlichen Vorsehung und dem unberechenbaren (Un)Glück. Wir meinen, das Wappen von Tirnau 190

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