A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 2004 (Debrecen, 2005)
Művelődéstörténet - Surányi Béla: Debrecen und die ungarische landwirtschaftliche Fachausbildung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Béla Surányi DEBRECEN UND DIE UNGARISCHE LANDWIRTSCHAFTLICHE FACHAUSBILDUNG IN DER ERSTEN HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS Die ungarische landwirtschaftliche Fachausbildung verfügt über keine solchen historischen Wurzeln wie z. B. die schon im Mittelalter vorhandene Nachwuchs-Bildung in den Zünften oder die mit den städtischen Schulen verbundene Industriehandelsbildung. Lange Jahrhunderte hindurch basierte die bäuerliche „Fachausbildung" auf der Erfahrungskultur, als Privileg der Familie und der örtlichen Gemeinschaft. Eine Änderung erfolgte im 18. Jh., als sich auch im Kreis der ungarischen Landwirte die Idee, die Ergebnisse und die Wirtschaftspraxis der sog. neuen Landwirtschaft zu verbreiten begannen, die den Ergebnissen der Wissenschaft immer mehr Raum ließ. In der Zeit vor dem 18. Jh. nährte sich die einheimische Agrarkultur aus mehreren Quellen, wie z. B. aus dem antiken Erbe, aus der Wirtschaftspraxis der Völkerwanderung, deren Kontinuität nicht zu beweisen ist, aus den Agrarkenntnissen der Ungarn, aus den Fachkenntnissen der Mönche, aus dem Ertrag der Migration und aus der Entdeckung der Neuen Welt. Die erste Schule landwirtschaftlichen Charakters öffnete ihre Pforten in Szempce, als erstes Rechnungsführungsinstitut in Europa. Darauf folgte die praktische Schule in Szarvas, gegründet von Sámuel Tessedik. Auch als erstes in Europa errichtete György Festetics sein Georgikon in Keszthely. Weitere Stationen der Entwicklung kennzeichnen Magyaróvár, und nach 1867 die neu entstehenden wirtschaftlichen Lehrinstitute in Debrecen, Kluj, und Kosice. Ab 1784 eröffnete sich die Möglichkeit zu einer dreistufigen Bildung, was zur Einrichtung weiterer Fachausbildungsinstitute verschiedener Stufen führte. Die Fachausbildung versuchte der Entwicklung der ungarischen Landwirtschaft zu folgen bzw. die Landwirtegesellschaft auf die Änderungen vorzubereiten. Auch die Agrarbildung in Debrecen nahm daran aktiv Teil und wurde als Hochburg der Expertenbildung des Tieflandes bekannt. Die Reform 1906 erhöhte weiter den Rang der wirtschaftlichen Lehrinstitute, da sie schon als Akademien ihre Unterrichts- und Forschungstätigkeit weiterführten. Bis zum 1. Weltkrieg trat das Netzwerk der Agrarfachausbildung ins Leben, das trotz all seiner Mängel des Vertrauens der ungarischen Landwirtschaft würdig war. Der Schwung der landwirtschaftlichen Entwicklung ist nach 1920 gebrochen, und das beeinflusste auch die bisherige Lage der Agrarbildung. Umorganisierungen, Reformen und Schulnetz-Erweiterung kennzeichnen diese Zeit, in der das politische und wirtschaftliche System grundsätzlich unverändert blieb. Debrecens Rolle in der ungarischen Fachausbildung wurde zwischen 1920 und 1944 nicht geringer, sie wurde sogar in gewisser Hinsicht größer, wozu auch die Präsenz der 1921 gegründeten Universität stark beitrug. Die Bestrebung der Stadt, die wirtschaftliche Akademie in Pallag als Universitätsfakultät ins Debrecener Hochschulwesen zu integrieren, blieb damals ohne Erfolg. Auch die früheren Pläne einer Agraruniversität sind ins Wasser gefallen. All dies weist auch daraufhin, wie bedeutend die landwirtschaftliche Fachausbildung der Stadt war und dass sie als Zentrum der Expertenbildung des Tieflandes zwischen den beiden Weltkriegen auch für Landesfunktionen geeignet war. Während der Autor einen landesweiten Überblick über die Entwicklung der ungarischen landwirtschaftlichen Fachausbildung gibt, zeichnet er gleichzeitig auch Debrecens Rolle nach, das schon seit 135 Jahren im Dienst der ungarischen Landwirtschaft steht. 371