A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1979 (Debrecen, 1981)

Történelem - Székely György: Die Umwandlung des europäischen Siedlungsnetzes im 16–19. Jahrhundert und Ungarn

der Messestadt Genf zu, deren Einwohnerzahl zur Zeit Kalvins auf 15 000 geschätzt werden kann. 11 Noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts zählte Wittenberg, dieses aus rund 400 Häusern bestehende Städtchen mit seinen insgesamt 2 000 Einwohnern und einem ortsansässigen Handwerk, zu den weiterhin nicht allzu bedeutenden Städten. Auch seine früheren Bildungs­traditionen machten nicht weiter von sich Reden, die Universitätsintelligenz beschränkte sich hauptsächlich auf literarische Interessen. Von rund 1507 ab war Lucas Cranach d.Ä. in dieser Stadt Haus- und Grundbesitzer, nachdem er das Haus des Stadtrichters Kaspar Teuschel am Marktplatz erworben hatte. Die finanzielle Lage des Künstlers und Hofmeisters wurde auch dadurch gehoben, daß zu diesem Haus das Schankrecht gehörte, was beträchtliche Nebeneinnahmen einbrachte. Seines hohen Ansehens und seines großen Vermögens halber wurde Cranach in den Stadtrat erhoben, wo er in den Jahren zwischen 1519 und 1545 neun Jahre lang wirkte. Sechsmal bekleidete er in dieser Zeit gemeinsam mit einem anderen Stadtvater das Amt des Kämme­rers. In der Zeit zwischen 1537 und 1544 stand er der Stadt drei Jahre lang als regierender Bürgermeister vor. Aus diesem Grunde wird er auf seinem Grabstein auch doppelt als Maler und Konsul erwähnt (1553). Zu seiner Karriere als Bürger der Stadt kam noch hinzu, daß Cranach ein Teil seines Vermögens auf den Kaufeiner Apotheke verwendete, indem er 1520 die von dem kurfürstlichen Arzt Pollich von Mellerstädt gegründete Apotheke er­warb. Natürlich mußte Cranach in diese Apotheke Hilfskräfte anstellen. Dennoch ließ der sich bereichernde Künstler zu der Zeit noch nicht von der reformationzeitlichen Einstel­lung des kleinstädtischen Bürgertums ab. Hierauf geben die Ereignisse vom Juli 1520 in Wittenberg einen Hinweis, als es nämlich zublu tigen Zusammenstößen zwischen den Stu­denten und dem Bürgertum kam. Die Faktoren für diese Zwischenfälle tauchen in der euro­päischen Universitätsgeschichte immer wieder auf: Das Verhältnis zwischen der Stadt und den Studenten, der Zusammenstoß der Vorrechte der Studenten adliger Herkunft mit den Rechten des Bürgertums und der Stadt und die Spannungen um das immer wieder debattierte Waffenrecht schufen dennoch eine neue Situation in der Reformationszeit. Im Kreise des Bürgertums gehen die Quellen besonders auch auf die Rolle Cranachs und seiner Ge­folgschaft ein: Um den Adel zu kränken, dem der Kurfürst das Tragen von Waffen unter­sagt hatte, trugen sie auch weiterhin ihre Waffen in der Stadt. Als in diese spannungsgeladene Athmosphäre der Kleinstadt die Truppen Friedrich des Weisen eindrangen, standen ihrem Kommandanten von der einen Seite plötzlich die Studenten und ihr Rektor und von der an­deren Seite Meister Lucas gegenüber. Es wäre ein Irrtum, hierbei Schlußfolgerungen auf einen Widerspruch zwischen der Universitätsintelligenz und der reich gewordenen Bürgerschaft zu ziehen, vielmehr standen hier der gegenseitige und gegeneinander gerichtete Schutz der mittelalterlichen Privilegien auf dem Tapet: Es standen sich hier die Angehörigen der Uni­versität, die sich der bürgerlichen Obrigkeit nicht unterwerfen wollten, sich aber an das adlige Waffentragen hielten, und ihre in die Stadt berufenen bewaffneten Dienstleute sowie die ihre Rechte verteidigenden Bürger gegenüber, unter denen Lucas Cranach und seine Gesellen eine nahezu geschlossene Gruppe bildeten. Soweit soll diese kleine Episode die Versuche im Vorwärtsdrängen der kleinstädtischen Bürgerschaft während der Reformations­zeit illustrieren. Dies bestärkte aber die Reichen, die die gemäßigte Richtung der Refor­mation zu ihrer eigenen machten, zweifelsohne darin, sich rasch gegen die radikalere Intel­ligenz und die plebejischen Bewegungen zu wenden. So bildete sich auch in so einer Klein­stadt auf der Höhe des 16. Jahrhunderts eine neue Führungsschicht heraus, zu der aller 11 Ernst Fischer: Illustrierte Schweizergeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart ( 3 Schaff­hausen, 1947) S. 192.; Anne-Marie Piuz: Affaires et politique. Recherches sur le commerce de Geneve au XVII е siecle (Genéve, 1964) S. 15—16.; Granasztói, György: Becslés Sopron XVI— XVII. századi lélekszámára (Történelmi Szemle, 1970. 3. szám) S. 284, 321.; S. H. Steinberg: Der Dreißigjährige Krieg und der Kampf um die Vorherrschaft in Europa 1600—1660. (Göt­tingen, 1967) S. 130.; Heinrich Spälti: Geschichte der Stadt Glarus (Glarus, 1911) S. 41—42, 48, 55.; Max Steinmetz: Zu einigen Problemen der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland (Sonderdruck aus Lehre, Forschung, Praxis... 1963) S. 234.; Niccolö Rodolico: Storia degli Italiani (Firenze, 1954) S. 286. 86

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