Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis. – Alba Regia. Az István Király Múzeum Évkönyve. 24. 1986-1988 – Szent István Király Múzeum közleményei: C sorozat (1990)

Szemle – Rundschau - Kiss Attila: Über einige chronologischen, siedlungsgeschichtlichen und geschichtlichen Fragen des 10–11. Jahrhunderts. p. 197–209.

Gegen die Identifizierung des Gräberfeldes von Majs mit dem Ausdruck „terris populorum Kaza(r)" der besagten Urkunde argumentiert Bona wie folgt: „Nur kann aber eine „terra" kein Gräberfeld haben, insbeson­dere wenn es in ihrer unmittelbaren Umgebung auch mehrere „villae" (Dörfer) gibt" (1984b, 293). Ganz anderer Ansicht ist I. Szabó, Verfasser einer Monographie über die Entwick­lung des Dorfsystems in Ungarn im 10.-15. Jh.: „... in unseren schriftlichen Quellen finden wir nämlich das „Dorf unter fol­genden, Bezeichnungen : villa, locus, terra, predium" (I. SZABÓ 1966, 36). Ferner: „Der Zeitraum, da das Dorf als terra bezeich­net wurde, läßt sich recht genau feststellen : es war dies vor allem vom 11. Jh. bis zum letzten Viertel des 13. Jh. üblich. .. das Wort terra im Sinne von Dorf hatte auch in anderen Teilen des euro­päischen lateinischen Sprachgebietes seine Funktion" (I. SZABÓ 1966 40). In der Urkunde aus 1093 (die übrigens nur in einer Abschrift aus 1404 in schlechtem Zustand überliefert wurde) sind die Namen der nachweisbar bewohnten Siedlungen (GYŐRFFY 1966, 269-409) in vier Formen erhalten geblieben {Ibid., 350): a. als bloßer Personenname („ad Kurthuelys populum Varady­ensem de Byhor" Ibid. 332; „iuxta Kerekyghaz" : Ibid. 324-325; „ad Per am" : Ibid., 367; „ad Istyen" : Ibid., 301, b. in der Form Personenname + villa („ad villám Bolok" : Ibid., 278), с als Wortzusammensetzung mit „terra" („ad terram abbatis de Varad cum terris vduarnicorum ubi coniungitur due riuuli iuxta villám Scer": Ibid., 350, 392; „terra de villa Wol-l" : Ibid., 402; „terrispopulorum Kaza[r\": Ibid., 252, 350; „cum terris Obony" : Ibid., 269; „ad terram vduarnicorum de villa Bog" : Ibid., 275), d. im Wortbau mit Genitiv („servis regis" (Majs, Adelige von Kismajsa?): Ibid., 338, 350; „ecclesie de Barana": Ibid., 279-281). Die Siedlungsnamen werden also in abgekürzter Form ange­geben. Von denen, wo das uns interessierende Wort „terra" gebraucht wird, ist die Form „ad terram vduarnicorum de villa Bog" am ausführlichsten, kürzer die Form „terra de villa Wol-" und noch kürzer die Form "terris populorum Кага[т]", wo auf­grund der Logik vermutlich * „terris de villa populorum Ka­za[r]" stehen sollten, ähnlich der Form "ecclesie de Barana" anstatt *„terris de villa ecclesie de Barana", indem die Worte „terris de villa" weggelassen wurden. Noch kürzer ist die komi­sche (falsche) Form „servis regis" , denn die Flur eines Dorfes ­Nyárád - kann ja offenbar nicht mit den königlichen Diens­thabenden, sondern nur mit deren Feldern, d. h. mit der Flur ihres Dorfes benachbart gewesen sein. (Es ist nun nicht die Aufgabe des Archäologen, zu entscheiden, ob diese „Abkürzun­gen" bereits auch in Urkunde aus 1093 vorkamen. Eine Lösung, etwa die Datierung der formell falschen Urkunde usw. wird Aufgabe der in Vorbereitung befindlichen kritischen Ausgabe sein, Györffy 1960; GYÖRFFY i. D.) I . Bona stellt auch die Lesung des auslautenden Buchsta­ben „r" im Ausdruck „terris populorum Kaza[r]" in Frage und empfiehlt statt dessen den Personenamen Caza/Coza (1984b, 293) : Gegen diese Lösung sprechen folgende Argumente : a. In der Urkunde ist am Ende des umstrittenen Wortes ein blaßer Buchstabe zu sehen, den Gy. Györffy in seiner Ar­beit als „r" identifizierte und in eckige Klammern setzte (GYÖR­FFY 1966, 350). Es ist also Tatsache, daß der auslautende Buch­stabe vorhanden, daher auch nicht bestreitbar und schon gar nicht wegzulassen ist! Auf mein Ansuchen teilte mir Gy. Györffy am 27. Februar 1986 mit, nach erneuter, ein­gehender Untersuchung der Urkunde habe er, gemeinsam mit Iván Borsa, diesen auslautenden blaßen Buchstaben aber­mals als „r" gelesen. (Wie dies in der kritischen Ausgabe publi­ziert werden soll - GYÖRFFY i. D.). b. Die - laut Bona richtige - Deutung des Wortes ,,ATazö[r]" als Personenname und nicht als Volksname wäre nur dann möglich, wenn in den Urkunden aus dem 11.-13. Jh. auch nur eine Form bekannt wäre, wo nach dem Ausdruck "terra/ villa populorum" kein Volksname, sondern ein Personenname stünde (frdl. mündliche Mitteilung von Gy. Györffy). Bei seinem Versuch, eine Lösung zu finden, hütet sich aber Bona vielleicht deshalb vor der Interpretierung des Wortes Ka­za[r] als Volksname, weil er in seinem Artikel zwei Seiten früher, im Zusammenhang mit dem Dorf namens Kozár dies bereits getan hat : „Da es sich im Falle des Ortsnamens Kozár offenkun­dig von einem Dorf von Ziegenhirten slawischen Ursprunges [Her­vorhebung von mir] handeln kann..." (Bona 1984b 291, Anra. 15). Da die Lesung Kaza[v] der Urkunde aus 1093 keinem Zwei­fel unterliegt; da das Wort - mangels Analogien - keineswegs als Personennamen, sondern gemäß der damaligen Praxis der Ortsnamengebung nur als Volksnamen zu deuten ist; und da das Gräberfeld von Majs an dem geographischen Punkt liegt, auf den sich die Bezeichnung Kaza[x] der Urkunde bezieht (Kiss 1983a, 194) - könnte nun all dies bedeuten, daß Bona aufgrund seines vorangehend zitierten Standpunktes (1984b, 291, Anm. 15) die das Gräberfeld von Majs benützende Gemeinschaft doch als ein slawisches Ethnikum betrachtet, und zwar als eine slawi­schen Gemeinschaft, die - laut Datierung von Bona (1984b, 290) - ihre Mitglieder dort vor 930 zu bestatten begann?! I. Bo­na hat solches freilich nicht behauptet, doch eine argwillige Zusammenlesung seiner Behauptungen könnte den unbewan­derten Leser unschwer zu solchen Gedanken führen. .. Die Geschichte der etymologischen Erforschung der ungari­schen Ortsnamen Kazár faßte GY. GYÖRFFY zusammen, wobei er acht, aus dem Volksnamen abgeleitete Ortsnamen Kozár-Ka­zár akzeptierte (Györffy 1972, 299), während Gy. Kristó, F. Makk und L. Szekfü im mittelalterlichen Ungarn insgesamt 19 Kazár Ortsnamen feststellten (KRISTÓ-MAKK­SZEKFÜ 1973, 12). Die Deutung unseres Ortsnamens Kaza[r] als chasarischer Volksname steht also keineswegs ohne Analogien da. Seitens der Sprachwissenschaft bezog L. Kiss Stellung zu den Siedlungsnamen Kazár, indem er deren slawische Etymo­logie als Irrtum bezeichnete (L. Kiss 1978, 446). Ein weiteres Gegenargument von I . Bona: Das Fundstoff von Majs unterscheide sich in keiner Hinsicht vom Fundstoff anderer Gräber des Gemeinvolkes von Baranya oder Transda­nubien im 10.—11. Jh., und so bestünde gar kein Grund, die Population des Gräberfeldes für Chasaren zu halten (Bona 1984b, 293-294). Leider bleibt er uns die Antwort auf die Frage schuldig, warum und in welcher Hinsicht sich ein Gräberfeld des chasarischen Gemeinvolkes von einem ungarischen noch extra unterscheiden sollte, zumal von den 970er Jahren an, wo doch schon vor der von mir vermuteten (und auch von Bona nur auf prinzipieller Ebene, ohne Beweseise kritisierten) ErÖffnungszeit des Gräberfeldes (von der der ungarischen Landnahme voraus­gegangenen Symbiose einmal abgesehen !) die beiden ethnischen Gemeinschaften (Ungarn und Chasaren) bereits auf die Dauer von zwei Generationen (900-960/970) im Karpatenbecken nebe­neinander gelebt haben - eine Zeit, die im Prozeß der Assimila­tion der materiellen Kultur gewiß nicht spurlos vorübergehen konnte. Nach 970 lebte zudem die mutmaßliche chasarische Population des Gräberfeldes erwiesenermaßen in einem ungari­schen ethnischen Milieu (Kartenbeilage von Kniezsa 1938a und KNIEZSA 1938b; Györffy 1966 251. Karte). Den letzten Satz dieses Abschnittes beendete I . Bona wie folgt: „... ob ihre Benutzer in die miles-Schicht gehört hätten oder nicht, hätte man überhaupt nicht erwähnen dürfen, noch auch öfters" (1984b, 294). Aufgrund des Fundgutes habe ich in meinem Buch folgendes geschrieben: „... im Gräberfeld von Majs treten die mit der Massenproduktion des 10.—11. Jh. erzeugten Gegenstände in Erscheinung, die - zusammen mit der Größe des Gräberfeldes - die Inanspruchnahme des Gräberfeldes durch das Gemeinvolk andeuten" (Kiss 1983a, 197). Da ich aber aufgrund der Theorie von Gy. Györffy (1959, 27-28) auch den Bewohnern der sich nach dem Muster der ungarischen Stammesnamen „beneh­menden" Dörfer chasarischen Namens unterstellte, als Krieger dienende Leibeigene (miles) gewesen sein zu können, prüfte ich nachfolgend die Möglichkeit, ob nicht auch die im Gräberfeld von Majs Bestatteten Leibeigene, d. h. Mitglieder der miles­Schicht gewesen sein konnten. Abschließend schrieb ich dazu: „So kann man auch bei der im Gräberfeld von Majs bestatteten chasarischen Population noch nicht entscheiden, ob sie zur Schicht der miles (Leibeigenen) oder zu der unter den miles stehenden Schicht der pauper out vularis (gemeines Volk) gehör­te" (Kiss 1984a, 305). In Erwartung der künftigen geschichtli­chen Forschungen ließ ich also die Frage offen. In Kenntnis der neueren Forschungen (Bibliographie: Kiss 1985, 222-223) kann man heute freilich sehr wohl feststellen, daß die Gemeinschaft von Majs in die Gesellschaftsschicht pauper out vulgaris einzu­stufen ist, doch hierzu bedurfte es der seither erfolgten Publizie­rung der geschichtlichen Forschungsergebnisse von Gy. Kristó (1977,213-216)! 205

Next

/
Oldalképek
Tartalom