Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Gabriella Schubert: Ungarische und türkische Vorbilder in den Wohnkulturen der Balkanvölker

Abb. 12.: Bulgarisches Bauernhaus im Flachland, kùsta = Raum mit Herd, odajá = Wohnzimmer, dolap = Wandschrank, mindert = Sitzkissen allerdings zumeist erst seit dem 18. Jahrhundert(38); vgl. das auf Abb. 11 dargestellte Beispiel aus Bulgarien. In diesem Falle wird das Wohnzimmer sogar sóba genannt; in einigen Gegenden Bulgariens sind soba und odajá Synonyme. Doch der Charakter dieses Wohnzimmers sowie des sonst bei den Balkanvölkern mit odaie, odhë... usw. bezeichneten Wohnzimmers ist gänzlich anders als der der ungarischen Bauernstube. Mitteleuropäische Möbelstücke gibt es hier nicht, viel­mehr Gestaltungselemente, die nomadischen Ursprungs sind: Der Nomade benutzt aufgrund seiner Lebensweise keine schweren Einrichtungsgegenstände, sondern muß für alle Situationen des täglichen Lebes eine situations­gerechte Lösung finden, die darin besteht, daß er sich ein sehr vielseitig verwandelbares System in der Einrichtung seiner Wohnung ausarbeitet. Zum Essen benutzt er einen niedrigen leichten Tisch, den er an den gewünschten Ort stellen kann (vgl. türk, situ', sofra und deren Vertretungen im Búig. : sinija, sofrá, alban. sitii, sofër ... usw.). Schlafen kann er an jedem Platz, denn er benötigt dazu lediglich das auf dem Teppich ausgebreitete Bettzeug. Auch zerbrech­liches Geschirr meidet er; vielmehr benutzt er Geschirr aus unzerbrechlichem Kupfer oder Metall (vgl. hier türk. ibrik „Wasserkanne“ und filcan „Kaffeetasse“ sowie deren Vertretungen in allen der hier betroffenen Sprachen). Auf diese Weise sind innerhalb eines Raumes alle Bedürf­nisse gelöst, ohne daß dieser, wie das im Falle von ung. szoba zu beobachten war, in verschiedene Funktions­bereiche aufgeteilt wäre. Solche Elemente enthält auch das in den genannten Gebieten verbreitete Wohnzimmer, wenn sie auch selbstverständlich immer mit einheimischen Einrichtungs- und Zierelementen gepaart sind. So z. B. hängt in dem bulgarischen und rumänischen Wohnzimmer zumeist ein Ikonostas an der Wand; vielfach findet man, vor allem in ländlichen Wohnzimmern des bulgarischen Flachlandes, ein niedriges Bett, odâr(3ÿ), und die Bett­decke sowie der Teppich, häufig die einzigen dekorativen Elemente des Zimmers, zeigen tradierte, einheimische Webmuster. Zunächst fällt auch in diesem Zimmertypus der Kachel­ofen ins Auge, der entweder soba oder dzamal, mcce, kjumbé (letztere sämtlich osmanisch-türkischen Ursprungs) genannt wird. Seine Position hängt von der Lage der Feuerstelle im Nukleus ab, welche odzak bzw. badza (ebenfalls türkischen Ursprungs) genannt wird. Hier gibt es keine Tische, Stühle, Betten und Schränke des vorher beschriebenen Typs, und selten befindet sich etwas in der Mitte des Raumes. Vielmehr überwiegen die dekorativen Elemente im Zimmer, die durch den Teppich auf dem Boden und die verzierten Holzflächen der Decke (vgl. bulg., skr., alban. tavan < osm.-türk. tavan „Holz­decke) sowie der Wandschränke (türk, musandira, yüklük und deren Entsprechungen in den Balkansprachen), die sich oft über drei Zimmerwände erstrecken, in Erscheinung treten. Besonderer Blickfang ist auch der kostbar verzierte Zimmereingang, der sich entweder neben dem Ofen oder in der Mitte eines Einbauschrankes befindet. Entlang der freien Wandflächen und oft auch entlang der Schrank- Vorderflächen stehen niedrige Sitz- und Schlafbänke, die mit buntem Gewebe, mit Teppichen oder Fellen und Sitzkissen bedeckt sind (türk, minderlik bzw. dessen Ent­sprechungen). Diese Räume haben meist mehrere große Fenster, in deren Nähe gibt es oft abgeteilte und etwas über dem Zimmerniveau erhöhte Galerien, die mit ver­ziertem Holzgeländer umgeben sind und sofa, mensofa (türk. Ursprungs) genannt werden. Die hier eingerichtete Sitzecke ist ebenfalls mit einem Teppich ausgelegt, und in ihrer Mitte steht häufig ein niedriger Tisch, sofra genannt(40) (vgl. hierzu Taf. IL: 1.). Doch werfen wir auch einen Blick auf die Gesamtgestal­tung der Häuser östlichen Typs. In Bulgarien besteht das Bauernhaus im Flachland ge­wöhnlich aus zwei breiten Räumlichkeiten, und einem Vestibül, der an den Seiten offen ist (vgl. Abb. 12.). Eine (38) Zachariev, Pijanec 77. (39) Vgl. Narodnata küsta 64f. (40) Ebda. 65f„ 71 ff. 51 Abb. 13.: Ansicht und Grundriß eines zweigeteil­ten albanischen Hauses (nach Nopcsa)

Next

/
Oldalképek
Tartalom