Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Attila Paládi-Kovács: Milchwirtschaft in Ungarn im 18. Jahrhundert

MILCHWIRTSCHAFT IN UNGARN IM 18. JAHRHUNDERT In Anbetracht der strukturellen Proportionen wird Un­garns Viehhaltung im 18. Jh. nach wie vor durch die Domi­nanz der Rinderhaltung und den hohen Anteil des Pferdes gekennzeichnet. Das Hauptziel der Rinderhaltung war unverändert die Fleischproduktion, doch auch die Milch­wirtschaft gewann an Bedeutung. Was die Rinderrassen anbelangt, züchtete die Bauernschaft im ungarischen Sprach­gebiet fast ausschließlich die graue ungarische Rasse (Bos primigenius Hungaricus) und konzentrierte sich dabei auf die Kälberzucht. Da die Bauern kräftige, große Ochsen vermarkten wollten, wurden die Kälber geradezu verhät­schelt. Nicht ohne Grund schrieb der hervorragende Wissen­schaftler Matthias Bél in den 1730er Jahren: „Eher wird der Ungar einen Säugling als ein Kalb opfern. Auf der Weide wird das Kalb gar nicht von der Mutter abgesetzt, man läßt es saugen, solange es will oder die Kuh es duldet. Nicht selten sieht man zwei- oder gar dreijährige Kälber, die noch immer am Euter der Mutter saugen; sonst ist derartiges nirgendwo zu beobachten.“ (1730/1984, 92.) Mangels Vermarktungsmöglichkeiten begnügten sich die Bauern mit den Molkereiprodukten, die den Familien­bedarf deckten. Ihr Kuhbestand hätte allerdings das Mehr­fache der zur Selbstversorgung erforderlichen Milchmenge geliefert. Dies geht auch aus folgenden Aufzeichnungen des sächsischen Reisenden Graf Hofmannsegg hervor. Dieser weilte in den Jahren 1793/94 in Transdanubien und notierte folgendes im Dorf Nagyharsány (Kom. Baranya): „Die Butter ist hier überaus selten, und da der hiesige Käse fast gar nichts taugt, kann man sich gar nicht vor­stellen, was die Leute mit der Unmenge von Milch machen, zumal in einem einzigen Dorf mehr als hundert Kühe gibt.“ (Berkeszi 1887, 20.) Noch größer als in Transdanubien war der Kuhbestand in den Regionen, wo die Tradition des Rinderexportes weitergeführt wurde: in der Großen und der Kleinen Un­garischen Tiefebene. Registrierungen zufolge nahm der Rinderbestand im Laufe des Jahrhunderts in den meisten Flachländern zu, doch der Anteil der Melkkühe war schon geringer. Im Jászság-Gebiet wurden beispielsweise im Jahre 1713 noch 44%, 1766 aber nur mehr 20,4% aller Kühe als Melkkühe registriert (Fodor 1942, 266, 284). Unter den Verhältnissen der Naturalwirtschaft hatte es keinen Sinn, mehr Kühe zu melken. Zum größeren Teil lebten die Kühe mit ihren Kälbern von Frühling bis zum Herbst auf der weit entfernten Weide. Diese Kühe wurden von den Bauern nicht gemolken, allenfalls tat dies der Kuhhirt (ung. gulyás) für den eigenen und den Bedarf seiner Hirtenjun­gen. Die ganze Milch bekamen die Kälber. Weniger Kühe lebten auf den dorfnahen Weiden unter der Obhut des Hirten, genannt csordás. Diese Kühe verbrachten die Nacht auch im Sommer im Dorf und wurden täglich auf die Weide getrieben. In der Früh und am Abend wurden sie zu Hause gemolken. Wegen der Zurückgebliebenheit des Marktes blieben auch die Herrschaftsgüter in ihrer Mehrheit auf der Ebene der Naturalwirtschaft, ohne die Milchwirtschaft weiter­zuentwickeln. Dies bezieht sich vor allem auf die östliche Hälfte des Landes sowie auf die konservativ gelenkten kirchlichen Güter (Vgl. Gaál 1966,242). Hier wurde ebenso das ungarische Graurind gezüchtet wie bei den Bauern; das Hauptziel der Züchtung waren kräftige Ochsen mit schönen, langen Hörnern. In den 1730er Jahren wurden in den Gebirgsgegenden des Landes jeweils andere Rinderarten gezüchtet. Im Nor­den — den Komitaten Nógrád, Hont, Nyitra, sogar auch in Zólyom und Trencsén mit slowakischer Bevölkerung — dominierte das ungarische Graurind. Allerdings war es hier kleineren Formats als in der Tiefebene, auch die Hör­ner waren kürzer und standen anders. Noch weiter nörd­lich, in den Komitaten Turóc und Liptó, lebte ausschließ­lich das kleine schwarz- und rotbunte Rind. In der Zips, im siebenbürgischen Sachsenland und im westlichen Rand­gebiet (dem heutigen Burgenland) mit vorwiegend deut­scher Bevölkerung wurden ebenfalls kleinere, milchgebende örtliche Arten gezüchtet (Bél 1730/1984, 65). Bunte Rin­derarten vom Typ Brachyceros lebten in Ungarn schon im Mittelalter, behielten aber ihre Präponderanz bis zum 18. Jh. nur in Randgebieten, bei einigen deutschen und slowa­kischen ethnischen Gruppen. Auf der Suche nach besseren Milchkühen wurden diese Rassen auch im Landesinneren 197

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