Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)
Béla Gunda: Einige ethnobotanische Probleme des Triticum spelta L.
art spricht (Mollay 1982, 540—41). Es ist allerdings anzunehmen, daß der Dinkelanbau den Ungarn bereits vor dem Erscheinen der besagten deutschen Bauernschaft bekannt war, die Art aber sprachlich nicht vom gemeinen Weizen unterschieden wurde. Im Anbau erfolgte eine Rückentwicklung: Tr. aestivum rückte immer mehr in den Vordergrund, während Tr. spelta an die Peripherie der Wirtschaft geriet. Möglicherweise war der Anbau des Dinkels in Karpateneuropa Jahrhunderte oder gar Jahrtausende hindurch latent. Der frühere ungarische Name ist verschwunden, das Wort tönköly deutschen Ursprungs ist in der ungarischen Sprache eine spätere Terminologie. Doch darf man auch annehmen, daß die Ungarn den Dinkel im 9.—12. Jh. oder gar noch früher ebenso nannten wie den gemeinen Weizen (ung. búza) oder ihn allenfalls mit einem Attribut vom letzteren unterschieden. Búza ’Weizen1 ist übrigens ein alttürkisches Lehnwort in der ungarischen Sprache aus der Zeit vor der Landnahme. In der südrussischen Steppe, in der Gegend der Flüsse Dnjepr, Dnjestr, Pruth und Szeret (Siret) konnte das Wort búza ’Weizen1 sowohl Tr. aestivum als auch — mit einem Attribut, wie soeben angedeutet — die Spelzweizenarten (Tr. spelta, Tr. dicoccum) bedeutet haben, die dort bereits im 8.—9. Jh. angebaut wurden. Der Anbau des Einkorns (Tr. monococcum) zwischen Pruth und Dnjepr hörte anscheinend gegen Ende des 4. Jh. u. Z. auf (Janusevic 1986, 82—83). Natürlich gerieten die Spelzweizenarten auch bei den Ungarn in den Hintergrund, auf Randgebiete; es ergab sich die Möglichkeit für sekundäre Übernahmen, wie dies auch die deutsche Provenienz des Wortes tönköly beweist.(5) Tönköly gehört zu den dynamischen Wörtern der Pflanzenzucht: von Transdanubien bis zur Moldau bekannt, weist es auch auf die frühe Wichtigkeit des Dinkelanbaues hin. F. Kühn verneint ganz entschieden den Anbau von Tr. spelta im 20. Jh. in der Tschechoslowakei (Kühn 1970, 594). Aus früheren statistischen Angaben (Bátky 1918, 27—28) und aus etymologischen Ergebnissen (das slowakische Wort tenkel ist eine Entlehnung des ungarischen tönköly, Machek 1954, 286) ist darauf zu schließen, daß Tr. spelta Ende des vergangenen und zu Beginn dieses Jahrhunderts im südlichen Teil der westlichen und mittleren Slowakei noch angebaut wurde — freilich auch in den dortigen ungarischen Dörfern. Möglicherweise hat sich diese Kulturpflanze aus den südlichen ungarischen Gebieten auch sekundär auf die Rodungen in den Nordkarpaten verbreitet. In manchen Städten der mittleren Slowakei (Nova Bana, ung. Újbánya; Pukanec, ung. Bakabánya) wurde der Dinkel auf dem Markt feilgeboten; für seinen Anbau im 16.— 19. Jh. führt M. Markus mehrere Beweise an. Der Anbau von Tr. spelta hat auch auf das benachbarte Mähren übergegriffen (Markus 1975, 24—29).(6) Angaben aus dem 18. Jh., die die Historiker aus dem Gebiet von Zólyom, Nyitra und Hont veröffentlichten, beziehen sich unbedingt auf den Anbau von Tr. spelta durch die Slowaken. In den Urkunden handelt es sich um weißen und roten Dinkel (Horváth 1962, 37). In früheren ungarischen landwirtschaftlichen Arbeiten wird weißer, blauer, schwarzer bzw. roter Dinkel erwähnt (Pethe 1805, 449; Magda 1833, 198). Auch die Botaniker behaupten, die Variationsbreite der Dinkelkörner sei sehr groß, daher könnten diese in den archäologischen Funden schwerlich vom Saatweizen und anderen Spelzweizenarten unterschieden werden. Der Anbau von Tr. spelta kam auch laut Aussagen von Wirtschaftshistorikern um die Mitte und in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in den Hügel- und Berggegenden Karpateneuropas häufig vor (Gegend von Ödenburg, Pressburg, Kaschau, Galgóczy 1855, 259).(7) In der Großen Ungarischen Tiefebene erscheint es schon seltener, wird aber auch dort zweifellos gezüchtet, wie auch dem Volksglauben zu entnehmen: Im Jahre 1744 sollen die Hexen in Hódmezővásárhely einen Scheffel Dinkel auf einem Mann gemahlt haben (Schram 1983, 272). J. Nagyváthy schreibt 1821 vom Dinkel, der bei den Ungarn keine gewöhliche Pflanze sei. Sie wird in der Tiefebene gezüchtet, doch da es dort keine entsprechenden Mühlen gibt, bringt sie nicht viel Nutzen. Er empfiehlt ihren Anbau, denn ihr Mehl sei weißer als das Weizenmehl, auch seien die daraus zubereiteten Mehlspeisen und das Brot schmackhafter und leichter verdaulich als die aus Weizenmehl. Im Herbst können die Körner in denselben Boden auch mehrmals ausgesät werden. In der Scheune sind die Körner getrennt zu halten, denn falls sie sich mit anderen Körnern vermischen, sind sie sehr schwer zu sortieren (Nagyváthy 1821, 72). Im Jahre 1829 werden Getreidepflanzen namens zabbúza ’Haferweizen1, zabtenkely ’Haferdinkel1 und zabárpa ’Hafergerste1 erwähnt (A természeti... II. 1829, 148). In einer früheren enzyklopädischen Arbeit wird Tr. turgidum Dinkelweizen (ung. tönkölybúzd) genannt (K. Mátyus II. 1787, 60). Der Dinkel kommt nördlich von Budapest, in der Gegend von Vác (Waitzen) vor, allerdings nur selten (Galgóczy 1877, 135). Im vergangenen Jahrhundert war der Dinkel in der Balatongegend bekannt (MTSz.). Eine Dinkelsaat wird 1645 in der Flur von Munkács (Kom. Bereg) erwähnt (Makkai 1954, 337). Laut einer Urkunde wird der Dinkel im Jahre 1711 im östlichen Teil des Zemplén-Gebirges (Dörfer Alsóregmecz, Pusztafalu) angebaut (Balassa 1964, 70). In dieser Gegend gab es bis Mitte dieses Jahrhunderts kleinere Dinkelsaaten in der Flur einiger Dörfer (Telkibánya, Nagybózs(5) Eine Erörterung der Meinung von R. Rapaics würde uns noch weiter, in die Wolga-Gegend, führen. Seines Erachtens hätten die Ungarn Tr. dicoccum—unter dem Namen polba — von den Bulgaro-Türken kennengelernt, seinen Anbau aber im Karpatenbecken eingestellt; das Wort polba, polyva lebt in der Bedeutung ,Spreu1 weiter (Rapaics 1932, 450—451; 1934, 128—130). Die Frage entging der Aufmerksamkeit von A. B a r t h a, der den Dinkelanbau im Zusammenhang mit der frühen Landwirtschaft der Wolga- Gegend erwähnt (Bartha 1988, 76. 99, 179). Schade, daß er eine ganze Reihe ethnographischer Ergebnisse unbeachtet läßt (J. J a n k ó, B. Korompay, L. S z a b ó, R. J. Lőrinczy, A. Paládi-Kovács, L. Szolnoky usw.). (6) Ich kann hier zwar nicht in slowakische, tschechische, polnische und russische terminologische Fragen eingehen, doch steht es ohne Zweifel, daß die ursprüngliche Bedeutung des tschechischen spalda, des alttschechischen spalta, des polnischen szpelta (< dt. Spelt) nur Tr. spelta (Spelt) gewesen sein konnte. (Vgl. Kluge 1975, 723; Machek 1954, 285). Die ursprüngliche Bedeutung des mährisch-walachischen spalda, gengel (St’astnÿ 1971, 97) dürfte ebenfalls Tr. spelta gewesen sein. Anderseits scheint das russische pólba ’Dinkel, Spelt, Triticum1 ein uraltes Wort der russischen Sprache zu sein (Vasmer 1955, 391). (7) Zum Dinkelanbau in Üngarn s. noch Gaäl 1978, 167, 288. 188