Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

László Novák: Haufendörfern im Nordwesten der Grossen Ungrischen Tiefebene

HAUFENDÖRFERN IM NORDWESTEN DER GROSSEN UNGARISCHEN TIEFEBENE Die Erforschung der Siedlungsstruktur in der Großen Ungarischen Tiefebene ergab eine reichhaltige Fachlitera­tur. Nach den hochbedeutenden wissenschaftlichen Feststel­lungen von István G y ö r f f y aus dem angehenden 20. Jh. zeichnet sich das Gesamtbild der tiefländischen Siedlun­gen verhältnismäßig deutlich ab. Im Mittelpunkt der wissen­schaftlichen Forschung steht nach wie vor insbesondere die funktionelle Bestimmung der Siedlungen, d. h. ihre Rolle in der Betriebsorganisation der traditionellen Bauernwirt­schaft. Dem schließt sich die Forschungstätigkeit von Zsigmond B á t k y an, der die verschiedenen Hoftypen den Grundstückformen entsprechend bestimmte. 1. Funktion des „Gartens“. Über die — in der ungari­schen Sprache — allgemeine etymologische Feststellung hinaus, wonach der Garten (ung. kert) einen umzäunten (ung. kerített) Platz bedeutet, ist es in bezug auf die Ent­wicklung der Siedlungsstruktur von ausschlaggebender Bedeutung, die wirtschaftliche Funktion dieses umzäunten Platzes, des „Gartens“, festzustellen. Die geschichtlich­ethnographische Forschung bestätigt eindeutig den Zu­sammenhang zwischen den Gärten und dem System der Flurnutzung: In einem System mit Saatfolge wurde zwangs­läufig jeweils eine Ackerfläche abgezäunt, wo verschiedene Hackfrüchte und sonstige Pflanzen angebaut werden konn­ten, die in der monokulturellen Saatfolge keinen Platz fanden. So wurden in den tiefer gelegenen Gebieten die Kohl- und Hanfgärten, auf den besseren Feldern die Mais­und Luzernengärten, und nicht zuletzt im minderwertigen Boden (hauptsächlich in dem zur Pflugkultur weniger geeigneten Sandboden) die Weingärten abgegrenzt. In anderem Sinne sind die Gärten organische Bestand­teile der traditonelien landwirtschaftlichen Betriebsorgani­sation, wo zwar ein gewisser Ackerbau, der Anbau inten­siverer Gartenkultur bedürftiger Pflanzen vor sich ging (wie z. B. im Tiefland durch die Bezeichnungen Kürbis­oder Gemüsegarten angedeutet), zugleich aber auch ein Betriebszentrum entstand, schlechthin der Kern der ganzen Bauernwirtschaft, ihrer Produktionsstruktur und Betriebs­organisation. Wichtige Wirtschaftsgebäude wurden hier gebaut, auch gewisse landwirtschaftliche Arbeiten wurden verrichtet, sogar eine Teilfunktion als Wohnung ist dieser Stelle zuzuschreiben. Infolge des größeren Raumbedarfes entstanden die „Gärten“, sprich: Wirtschaftszentren, vom Wohnhaus getrennt, am Rande der Siedlung gruppiert, indem sie das Wohnzentrum umringten, oder den geo­graphischen Beschaffenheiten entsprechend in der Nähe des Dorfinneren, aber von diesem getrennt standen. Der Garten ist also ein organischer Bestandteil des bäuerlichen Wirtschaftszentrums und war nur infolge ver­schiedener wirtschaftlicher und sonstiger — z. B. defensi­ver — Ursachen vom Wohnhaus räumlich getrennt, auf einem eigenen Grundstück. In diesem Sinne ist das funktio­nell geteilte Siedlungszentrum eine geteilte Siedlung mit je zwei Grundstücken. Hier sei eingangs betont, daß es einen wesentlichen Unterschied zwischen den Siedlungsformatio­nen des Tieflandes und des Berglandes gibt: im letzteren sind die Voraussetzungen zur Ansiedelung enger be­schränkt als im Tiefland, infolgedessen ist auch der wirt­schaftliche Charakter ungleich. In der Tiefebene besteht die Grundformel in der extensiven Viehzucht und im mono­kulturellen Ackerbau, während in den Hügel- und Gebirgs­landschaften der wichtigste Wirtschaftssektor der Wald ist (dadurch wird auch die Art der Viehhaltung bestimmt, während durch die Rodung der Ackerbau an Raum ge­winnt). Hier konnten keine Gärten entstehen, obschon die Scheunen vom Wohnhaus getrennt waren, um den Verkehr und gewisse Arbeiten (z. B. den Getreidedrusch) zu erleich­tern und nicht zuletzt die Brandgefahr zu verringern. Die Gärten sind typische Merkmale des Flachlandes, wo die Möglichkeiten der Ansiedelung weniger eingeschränkt waren. Besonders die anfangs geringe Bevölkerungszahl ermöglichte die unregelmäßige, d. h. haufenartige Errich­tung der Wohnhäuser auf einem genau nicht abgegrenzten Gebiet und erforderte die Ausgestaltung von umfang­reicheren Flächen etwas weiter entfernt für die Pferche, Stallungen und verschiedenen „Gärten”, wie sie auf der Großen Ungarischen Tiefebene so gut wie überall zu finden, sind. In den höher gelegenen, zunehmend aufgegliederten Landschaften war diese Möglichkeit nicht gegeben. In den Dörfern entlang der engen Täler mußte man mit dem Raum 169

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