Lukács László (szerk.): Märkte und Warenaustausch im Pannonischen Raum - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 28. (Székesfehérvár, 1988)

Tamás Hoffmann: Die Marktflecken in Ungarn - ein kulturelles Phänomen

und Boden, der Mangel an lokalen Märkten, die geringe Zahl an Arbeitskräften usw., also jene Faktoren, die die Wirtschaft dieser Zone bei der anbrechen­den Industrierevolution begünstigten. Möglicherweise hatten gerade die allgemeine Rückständigkeit und der Auf­schwung der nur geringfügig investitionsbedürftigen Wirtschaftszweige zur Folge, dass die Bevölkerung in ihrer Komsumkultur dis für die bäuerliche Le­bensform charakteristischen Formen bevorzugte. Die Kleidung, die Wohn- und Bauweise sind schlechterdings die Konsequenz der dynamischen Wirtschaftsbe­wegung des 18. un 19. Jahrhunderts mit ihren provinziellen Stildistrikten und vorn bürgerlichen Lebensstandard sich abkehrenden Bedürfnissen. Dadurch waren selbst für die besitzlosen Agrarschichten anscheinend ideale Lebens­bedingungen geschaffen und auch eine an Festtagen aufweisbare Prestigekul­tur, die das Landvolk uniformisierte. Kann sein, dass dieses Ideal der Lebensweise, die für günstig gehaltene bäu­erliche Norm der Komsumkultur in Ungarn des 19. Jahrhunderts in Verbreitung begriffen war, ja sogar im ganzen Gebiet, das sich zwischen der Ostsee, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer erstreckt. Kann auch sein, dass eine sorg­fältigere Analyse des Problems sehr viel kleinerer Regionen zu differenzie­ren hätte, in denen die Phasenverschiebungen der Entwicklung ein bunteres Gesamtbild bewirkt hatten. Fest steht jedoch, dass die Wirtschaftskrise ge­gen Ende des 19. Jahrhunderts den Regenerationsprozessen der herkömmlichen Kulturen ein radikales Ende bereitet, den Dorfbewohnern den Stempel der Mar­­ginalität und Rückständigkeit aufdrückt und sie zu Bewohnern des Hinterlan­des der modernen, grossen Industriestädte degradiert. Die Millionen aber, die die Lebensbedirigungen der modernen Gesellschaft an­strebten, wandten sich mit Bestimmtheit von ihrer Kultur mittelalterlicher Provenienz ab. Die Typenvielfalt der Wohn- und Wirtschaftsgebäude, der funk­tioneile Gebrauch der Wohnungseinrichtung, die Kleidung, sämtliche häusliche Requisiten des täglichen Lebens beruhten allesamt auf Erneuerungen, die sich im ausgehenden Mittelalter verbreitet haben; das einigermassen modifizierte Arsenal all dessen ist von der Nachwelt zur "Unsterblichkeit" hochstilisiert worden und wird bis heute unter diesem Motto in den Museen behütet. Möglicherweise ist auch das Problem der Erhaltung der Kultur mittelalterli­chen Ursprungs. Die eigenartige Paradoxie besteht nämlich darin, dass die kulturellen Muster von den Stadtbewohnern diktiert wurden die aber damit den Adel nachahmen wollten. Das Vorbild war nicht städtisch, sondern adelig. Die Akteure hausten in abgelegenen Landsitzen und lebten auch selbst nicht unter viel günstiegeren Bedingungen als die Bauern; hinsichtlich ihrer Arbeit und ihrer Verpflichtungen befanden sie sich jedoch in einer unvergleichlich vor­teilhafteren Lage als das Landvolk. Dieser Widerspruch zeigte sich am kras­sesten, als ein Grossteil des Adels sein kulturelles Verhalten änderte, den internationalen Modeströmungen anpasste und auch die Requisiten dieses Ver­haltens vollständig auswechselte. Der Bauer blieb sozusagen allein und iso­liert. Nicht unmassgeblich war daran auch die Tatsache schuld, dass er sei­ne Bedürfnisse meist nur in Städten befriedigen konnte, die den Kriterien einer Stadt nur in beschränktem Masse entsprachen, waren sie doch selbst bloss aufgeblähte Dörfer. 166

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