Anders Alexandra – Lőrinczy Gábor szerk.: A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve: Studia Archaeologica 12. (Szeged, 2011)

SOMOGYI Péter: Byzantinische Fundmünzen in der Awarenforschung — eine Forschungsgeschichte von den Anfängen bis zum Jahre 2010

Byzantinische Fundmiinzen in der Awarenforschung gar nicht vor Ort hergestellt worden sind, sondern die Awaren und andere vom Osten her ins Awa­renland eingewanderte Reitervölker sie mit sich gebracht hätten. Ab Mitte der 1980er Jahre setzte sich Attila Kiss wiederholt mit Fragen des Goldzustroms ins frühmittelalterliche Karpatenbecken auseinander. Zuerst wurden ca. 70 Grab-, Schatz- und Münz­funde des 5.-10. Jahrhunderts untersucht, die Kiss durch ihr gesamtes Goldgewicht quantifizierte. So­mit konnte er ihre zeitliche Verteilung mit dem auf­grund historischer Überlieferungen rekonstruierba­ren Verlauf der an die in der Region angesiedelten Gentes als Tribut bezahlten Goldmengen verglei­chen (KISS 1986). Trotz methodischer Schwierig­keiten, die sich bei der Ermittlung bzw. Rekon­struierung der Gewichtsangaben und durch die Einschärfe der für die Deponierung der einzelnen Goldfunde angenommenen archäologischen Datie­rungen ergaben, konnte Attila Kiss überzeugend belegen, dass die Verteilung der hunnenzeitlichen (Gruppe A) und frühawarenzeitlichen (Gruppe B) Goldfunde in der Tat in die Zeit des bis 450 an die Hunnen und bis 626 an die Awaren bezahlten Tri­buts fällt. Da Attila Kiss nach 626 nicht mehr mit Tributzahlungen an die Awaren rechnet, sieht er in den im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts depo­nierten wenigen Goldfunden (Gruppe C) in An­lehnung an die Theorie des István Bona einen Teil der von den onogur-bulgarischen Einwanderern noch in der pontischen Steppe thesaurierten und mit sich gebrachten Schätze, die natürlich auch zu ihnen in Form von byzantinischen Zuwendungen kamen. Seine Erklärung dafür, warum die mächtigen Schatzfunde von Nagyszentmiklós, Vrap und Er­seke (Gruppe D) erst am Ende des 8. Jahrhunderts, inmitten einer seit 680 andauernden Periode ohne nennenswerte Goldzufuhr, deponiert worden sind, ist demgegenüber völlig neu. Attila Kiss zufolge sind sie Ableger aus dem im Jahre 795 von den Franken geraubten Khaganenschatz, der großen­teils aus den noch in der Zeit der byzantinisch­awarischen Kriege thesaurierten Kostbarkeiten be­stand. Infolge des sich durch das ganze 8. Jahr­hundert hinziehenden allgemeinen Rückgangs der byzantinischen Geldwirtschaft kann nämlich nur der mächtige Khaganenschatz als einzige „Gold­quelle" in Frage kommen. Eine logische Folge­rung, die Kiss jedoch nicht unbedingt aus der in der Awarenforschung zuerst von István Bona lan­cierten byzantinischen Wirtschaftskrise gezogen haben sollte, weil der direkte byzantinische Gold­zustrom ins Awarenland auch ihm zufolge bereits 626 für immer versiegte (vgl. SOMOGYI 1997, 120, Anm. 30). Das Fazit seiner Untersuchungen lautet, dass die primäre „Goldquelle" der im frühmittelal­terlichen Karpatenbecken angesiedelten Gentes das oströmisch-byzantinische Reich war, wobei das meiste Gold nicht durch den sehr wohl existie­renden Handel, sondern in Form von Tribut oder Beute zu ihnen gelangte. Nachdem sich Attila Kiss anfangs nur für das Gewicht der aus Hortfunden und Bestattungen be­kannt gewordenen Goldmünzen interessierte, ging er in seinen späteren Arbeiten auf die Quellen­gruppe detaillierter ein. Im ersten Schritt legte er die im Münzkabinett des Ungarischen National­museums verwahrten byzantinischen Goldmünzen des 6.-8. Jahrhunderts vor. Obwohl 95 der von ihm aufgenommenen 114 Stücke unbekannten Fundor­tes sind, hielt er auch diese für Fundmünzen aus dem awarischen Siedlungsraum, wobei er die Prägezeiten, der altgewohnten Praxis entsprechend, nur durch die Regierungszeit der Münzherren an­führte (das erste „Grundübel"). Aus diesen Grün­den vermittelt seine Materialaufnahme den Ein­druck, als ob der Zufluss der Goldmünzen, im Ge­gensatz zur historischen Überlieferung, auch nach 626 fortbestanden hätte. Aus diesem falschen Be­fund, der eindeutig auf seinen eigenartigen Um­gang mit den Provenienzangaben und auf die un­genauen Prägezeitbestimmungen zurückzuführen ist, rechnet nun Attila Kiss mit der Erneuerung der Tributzahlungen. Aufgrund der byzantinischen Prunkschnalle von Kunbábony denkt er sogar an ein Bündnis (foedus ) zwischen Byzanz und den Awaren.* 0 In der ersten Hälfte der 1990er Jahre ging Attila Kiss den Fragen nach, wie die im Tribut erhaltenen Goldmünzen verwendet wurden, ob man dabei auch von Geldverkehr sprechen darf und was für Münzen im Awarenland überhaupt im Umlauf waren. Während ihre Thesaurierung, Verwendung als Graboboli, als Anhänger, als Rohmaterial zur Herstellung von goldenen Schmuckstücken und merkwürdigerweise auch von goldenen Imitativ­prägungen aufgrund der vorliegenden historischen. SO KISS 1991. Dagegen SOMOGYI 1997. 15. 112-117. 127. Anm. 17 mit ausführlicher Argumentation. 213

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