Anders Alexandra – Lőrinczy Gábor szerk.: A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve: Studia Archaeologica 12. (Szeged, 2011)
SOMOGYI Péter: Byzantinische Fundmünzen in der Awarenforschung — eine Forschungsgeschichte von den Anfängen bis zum Jahre 2010
MFMÉ - StudArch 12 (2011) 127-136 BYZANTINISCHE FUNDMÜNZEN IN DER AWARENFORSCHUNG — EINE FORSCHUNGSGESCHICHTE VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUM JAHRE 2010 SOMOGYI Péter DIE ERSTEN GRABFUNDMÜNZEN UND IHRE ARCHÄOLOGISCHE BEWERTUNG Es ist eine Binsenweisheit, dass die archäologische Erforschung der Awarenzeit mit dem Vortrag ihren Anfang nahm, den Ferenc Pulszky, seit 1869 Direktor des Ungarischen Nationalmuseums, in der Sitzung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften am 12. Januar 1874 gehalten hatte (PULSZKY 1874). Bekanntlich war die Einordnung der zu dieser Zeit bereits in seinem Hause verwahrten und zur Schau gestellten Grabinventare aus den Bestattungen von Kunágota, Szentendre und Ozora-Tótipuszta 1 in die Awarenzeit aufgrund der Prägezeit der sich unter den ins Museum eingelieferten Fundobjekten befindenden vier byzantinischen Goldmünzen möglich. Somit sind sie zugleich auch die ersten byzantinischen Fundmünzen, die im direkten Zusammenhang mit der archäologischen Hinterlassenschaft der Awaren besprochen wurden. Im Rahmen eines allgemeinen Sitzungsreferates vor Mitgliedern der Ungarischen Gelehrtengesellschaft war es Pulszky natürlich nicht möglich, seine historisch-archäologischen Feststellungen ausführlich zu untermauern und die von ihm angesprochenen Fundobjekte bzw. die vier Goldmünzen näher zu beschreiben. Während seine kategorische Aussage darüber, dass die Awaren mindestens dreieinhalb Jahrhunderte lang im Karpatenbecken siedelten, und dass sie als von den Franken dezimiertes und besiegtes Volk gegen Ende des 9. Jahrhunderts die Ankunft der Magyaren sehr wohl erlebt haben dürften (PULSZKY 1874, 5), die allgemeine Geschichtsauffassung seiner Zeit reflektiert, sind seine Bemerkungen zu Fragen der Münzdatierung immer noch aktuell und methodisch einwandfrei. Pulszky führt nämlich aus, dass sich das Alter eines münzführenden Fundinventars durch die Prägezeit der Münze nur annähernd bestimmen lässt, weil es sehr wohl vorkommen kann, dass die Münze viel älter als die mit ihm vergesellschafteten Fundobjekte ist. Wenn jedoch typologisch vergleichbare Fundobjekte in mehreren Fundinventaren mit Münzen ähnlicher Prägezeit vergesellschaftet sind, dann ist der Schluss durchaus zulässig, dass auch sie etwa aus derselben Zeit wie die Münzen sind. Unter der Annahme, dass typologisch verwandte Fundobjekte ähnlicher Zeitstellung sind, ließen sich die ohne Münzbeigaben zutage gekommenen Fundstücke gleichen Stils ebenfalls in dieselbe Zeit datieren (PULSZKY 1874, 6). Pulszky war sich also nicht nur darüber im Klaren, dass die Prägezeit der Münze nur den Zeitpunkt bestimmt, vor dem die Deponierung sicherlich nicht stattfinden konnte (das Prinzip der terminus post quem Datierung), sondern schlägt eine Lösung dieses Problems vor, die auf dem Vergleich von mehreren münzführenden Fundinventaren basiert. Dabei sind die Ansätze der erst viel später herausgearbeiteten Münzspiegel-Methode klar zu erkennen. Und auch der methodische Ansatz ist immer noch gültig, wonach typengleiche oder typenähnliche Fundobjekte in der Regel derselben Zeitstufe entstammen sollen. Obwohl in Szentendre definitiv, in Ozora-Tótipuszta vermutlich drei Bestattungen zutage kamen / Zur Aufeinanderfolge der sowohl im Ungarischen Nationalmuseum als auch im Ausland von 1870 bis 1950 installierten Ausstellungen, wo zuerst nur die Fundobjekte von Kunágota, seit 1872 jedoch auch die Funde von Szentendre und Ozora-Tótipuszta immer wieder gezeigt wurden, s. BÓNA 1983. 85-87. 171