A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve, 1964-65. 2. (Szeged, 1966)
Dienes, István: Über neuere Ergebnisse und Aufgaben unserer archäologischen Erforschung der Landnahmezeit
bedingt — einschliesslich bis drei Generationen — das Zusammenleben aller Abkömmlinge. In unseren derartigen Friedhöfen ist die Zahl der Gräber (12—25) im allgemeinen wenig dazu, dass er alle Mitglieder der bis zur Staatsgründung während 2—3 Generationen angewachsenen Gemeinschaft in sich fassen könnte. Besonders dann, wenn wir auf Grund der Friedhofsbilder auch damit rechnen müssen, dass auch einige Verwandten, aufgenommene Fremden, Knechte innerhalb dieser kleinen Gemeinschaften gelebt haben werden. Es scheint wahrscheinlich zu sein, dass die Eltern, die nicht verheirateten Söhne und Töchter unter den eng genommenenen Familienmitgliedern zusammen gewohnt haben dürften. Unter den Abkömmlingen, die eine neue Familie gegründet haben, wird nur der jüngste Sohn — nach dem Brauch der Steppevölker (Rubruquis, Vladimircov) — im Quartier der Eltern geblieben sein, er erbte das väterliche Wohnzelt, die Knechte, die Güter. Die übrigen Söhne, wenn sie sich verheirateten, gründeten vermutlich einen eigenen Hausstand, schieden aus ihrer Familie aus, und eben bei den Vornehmeren ist es anzunehmen, dass ein solcher der Herr eines besonderen Besitzungsteiles geworden ist, deswegen hat weder er noch seine Familie auf der alten Ruhestätte Platz gefunden. (Die GrossfamilienOrdnung lebte auch in der Arpadenzeit weiter, König Ladislaus T. erwähnt in seinem Ges. I. § 40 die in dem Hause des Vaters verbliebenen bzw. die ausgezogenen Söhne). Ein Teil der bescheideneren paarigen oder aus einigen Gräbern bestehenden Begräbnisstätten sind die Ruhestätten dieser aus den Familien ausgeschiedenen und den Kern von neuen Gemeinschaften bildenden Kleinfamilien, die zu der zweiten dritten Generation der landnehmenden Ungarn gehört haben mögen, und ihre Nachkommen schon gezwungen waren, ihre ursprüngliche Begräbnisstätte aufzugeben, weil die Staatsgründung und der Befehl des neuen Glaubens sie aus ihrer alten Lebensform hinausgeworfen hat. (In den vornehmeren Friedhöfen finden wir aus der Zeit des Königtums mehr keine mit Münzen datierte Gräber.) Heute ist es schon unzweifelhaft, dass diese in ihrer Gesamtheit nicht für verstümmelte, mangelhaft aufgedeckte Friedhöfe angesehen werden können. Tn den Friedhöfen der Grossfamilien ist es auffallend, dass in diesen die Zahl der Frauengräber im Vergleich zu den Männergräbern verhältnismässig gering ist, obgleich wir bei den Reicheren gleichzeitig auch an Vielweiberei denken können (s. den Beleg in der Gerhardslegende über die Frauen des Ajtony). Der Frauenmangel wurde früher als gesetzmässig gehalten, da ja die Quellen darüber berichten, dass der Angriff der Petschenegen und der Bulgaren die auf der Siedlungstätte verbliebenen Familien der in den Krieg gezogenen Ungarn vernichtet habe. Es wäre also die Möglichkeit vorhanden, dass die in die neue Heimat ankommenden Ungarn wenig Frauen mit sich gebracht haben. Es ist aber zu bedenken, dass keine Spur von Frauenarmut in den meisten Friedhöfen des Gemeinvolkes vorhanden ist, und es ist nicht denkbar, dass es eben den Reicheren und Mächtigeren nicht möglich gewesen wäre sich eine Ehefrau oder gar Ehefrauen zu verschaffen. Dem Frauenmangel widerspricht auch das, dass wir sehr viele vereinzelte — und zwar mit reichem Denkmälermaterial versehene — Frauengräber antreffen können, und es ist keineswegs denkbar, dass diese Frauen alleinstehend gelebt hätten. Diese vereinzelt begrabenen Frauen waren bestimmt Mitglieder von Grossfamilien, die — was von uns oben schon vermutet wurde — wegen ihres fremden (ungarisch-kawarischen) Herkunft, wegen ihres anderen Glaubens oder weil sie zweite oder dritte Ehefrauen waren, von ihrer Gemeinschaft abgesondert begraben wurden. Die Begräbnisart des gemeinen Volkes — worüber wir oben eingehend gehandelt haben — ist wiederum andersartig: sie wurden im Rahmen einer auf einer Siedlung lebenden kleineren oder grösseren Gemeinschaft und innerhalb dieser inverwandt7 A Móra F. Múzeum évkönyve II. 97