A Herman Ottó Múzeum Évkönyve 35-36. (1997)

TARCAI Béla: Fénykép a temetőben

FOTOGRAFIEN IM FRIEDHOF Ein wichtiges Element des Totenkultes, den die Menschheit im Laufe von Jahrtausenden ausgestaltet hat, ist die Dekoration der Grabstätten mit anthropoiden Zeichen. Die Rolle der etruskischen Terrakotten und griechischen Grabskulpturen aus Marmor, Reliefstele, der mittelalterlichen Epitaphen, Grabplatten und der neuzeitlichen Kunstplastiken wurde Anfang des 20. Jahrhunderts teilweise von den beliebt gewordenen Porträt-Fotografien übernommen. Die Dekoration der Gräber mit Erinnerungsstücken an die verstorbene Person dient mehreren Zwecken. Sie ergänzt die wörtlichen Informationen, hilft die Persönlichkeit des Verstorbenen kennenzulernen, hält die persönliche-gefühlsmäßige Verbindung zwischen den Toten und Überlebenden aufrecht und verlängert dadurch quasi das irdische Dasein. Darüberhinaus dient sie auch einer gewissen Beruhigung, daß die Angehörigen ihre Pietätspflichten gegenüber dem Verblichenen erfüllt haben. Alle Offenbarungen der Ehrfurcht vor den Toten entspringen aus dem Wissen um zwei unvermeidliche Tatsachen: das menschliche Leben ist vergänglich, wir müssen sterben und das einmal gelebte Leben kann nicht noch einmal begonnen werden. Wenn wir uns notgedrungen diesem Schicksal fügen müssen, bleibt nichts anderes übrig, als die Suche nach den Möglichkeiten, durch die das irdische Leben wenigstens verlängert werden und die jenseitige Existenz, sowie unserer Toten als auch unsere eigene, gesichert werden kann. Das Erscheinen der Porträt-Fotos auf den Grabstätten führte eine qualitative Änderung im Totenkultus ein. Die Fotografie konzentriert sich, als Darstellung des menschlichen Lebens, ausschließlich auf das Gesicht, naturgetreu vermeidet es die bei anderen Kunstgattungen unvermeidliche Idealisierung. Deshalb wird es von jedermann als authentisch, menschennah und lebend betrachtet. Der Gesichtspunkt, daß diese Lösung wirtschaftlicher als alle anderen Möglichkeiten und deshalb beliebter ist, kann auch nicht vernachlässigt werden. Die Grabfotografien, die in Einzel- oder Doppelporträtform, in verglasten Metallrahmen erscheinen, verdanken ihr Entstehen der Erfindung des sogenannten abziehbaren Zelloidinpapiers. Dieses Verfahren ermöglichte, daß die Fotografien auf Gebrauchs und Ziergegenstände - so auch auf Grabmäler - übertragen werden konnten. Die Fotografie ist wie alle anderen Dinge der Zerstörungskraft der Zeit ausgesetzt. Gemeinsam mit der Erinnerung verlischt früher oder später auch die Fotografie, aber es werden neue Leben geboren und neue Grabplastiken und Fotografien entstehen. Das Leben erneuert sich und geht weiter. Béla Tarcai 361

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