A Herman Ottó Múzeum Évkönyve 33-34. (1996)
BENCSIK János: A zsidók Tokajban 1869-ben
JUDEN IN TOKAJ 1869 Die zweite und wohl auch die dritte Welle der Ansiedelung von Juden in Ungarn mag sich infolge des durch Kaiser Joseph IL erlassenen „Toleranzedikts" in Bewegung gesetzt haben. Tokaj-Hegyalja war von Südostpolen (Galizien), der am weitesten östlich gelegenen Provinz des Österreichischen Reiches, aus schnell zu erreichen. Ziel der migrierenden Juden war es sehr häufig, Tokaj-Hegyalja zu erreichen und sich hier niederzulassen, obgleich eben die Juden eine der mobilsten Voksschichten im Karpartenbecken darstellten. Innerhalb knapp eines Jahrhunderts nach Sanktionierung des „Toleranzedikts" entstanden in dieser Gegend zahlenmäßig große städtische Judenkolonien. Als eine der beliebtesten galt unter ihnen die von Tokaj. Tokaj, diese Stadt mit ihrer Jahrhunderte alten (griechischen) Handelstradition und ihrem starken Bürgertum zog das den bürgerlichen Berufen, vor allem aber dem Handel gegenüber sensible Judentum regulär an. Uns ist auch die Geschichte der Tokajer Juden von vor dieser Zeit relativ gut bekannt. In der vorliegenden Studie geht es um die auf den Angaben der Landeskonskription von 1869 beruhenden gesellschaftlichen Erfassung. Hier wird vor allem dem Judentum Beachtung geschenkt, das seinerzeit fast ein Fünftel der Einwohnerschaft von Tokaj ausmachte. Damals wohnten 5012 Menschen in Tokaj, von denen 1128 Juden waren. Dieser Prozentsatz hielt sich auch später, selbst während des Holocaust veränderte er sich nicht sehr. Die Juden gingen 1869 folgenden Beschäftigungen nach: 62 (29,2%) betrieben ein Handwerk, 64 (30,1%) waren Händler, 8 (3,7%) besaßen Land und bewirtschafteten dies, 29 (13,6%) waren Intelligenzler, 10 (4,7%) waren Fuhrleute, 31 (14,1%) waren Tagelöhner und zu den Verarmten zählten 9 (4,2%). Es gab 213 verdienende Familienoberhäupter (Haushalte). Unter den ein Handwerk betreibenden Juden fallen zwei für Städte typische Berufe auf, und zwar der des Schneiders und der Näherin sowie der des Schuhmachers. Im Handel waren die Juden vor allem im Ausschank und in der Gastronomie sowie als Gemischtwarenhändler tätig. Bei den Intelligenzlern fällt auf, daß es unter den Advokaten und Angestellten vorwiegend Christen gab, während die Juden sich mehr für naturwissenschaftliche Gebiete, allem voran für die Heilkunde interessierten. Sie übten aber auch für die Zeit neuartige Berufe aus, wie zum Beispiel bei der Eisenbahn und im Fernschreibdienst. Vermögende Judenfamilien waren unter den Inhabern des Grundkapitals der 1867 gegründeten Sparkasse von Tokaj-Hegyalja (Tokaj) anzutreffen. Somit war das Judentum hier Vertreter einer typisch bürgerlichen Schicht, genauer gesagt, trug das Judentum zur Verbürgerlichung bei und stärkte den bürgerlich-städtischen Charakter von Tokaj. János Bencsik 338