A Herman Ottó Múzeum Évkönyve 25-26. Tanulmányok Szabadfalvi József tiszteletére. (1988)

FOTÓ- ÉS VIZUÁLIS KULTÚRA - KUNT Ernő: Vizualitás és patológia. Két paraszti származású elmebeteg rajzának vizuális antropológiai vizsgálata

VISUELLITÄT UND PATHOLOGIE (DIE VISUELLE ANTROPOLOGISCHE UNTERSUCHUNG DER ZEICHNUNGEN VON ZWEI GEISTESKRANKEN BÄUERLICHER HERKUNFT) (Auszug) Das Ziel meiner Untersuchung besteht darin, die Beziehungen zwischen der sog. „Volkskunst" und den visuellen Äußerungen von Geisteskranken zu beobachten. Diese meine vorliegende Studie baut auf einer früheren repräsentativen Sammelarbeit auf, im Verlauf welcher ich die Gelegenheit hatte, die psychiatrischen Krankheitsbilder von Geisteskranken bäuerlicher Herkunft aus der Zeit zwischen 1867 und 1919 zu studieren. Dies tat ich seinerzeit mit dem Ziel, Angaben zu der Behexung zu sammeln. Für den Folkloristen tat sich bei dieser Arbeit eine reiche und bis dahin noch völlig unausge­schöpfte Angabenquelle auf (vor allem in den Explorationsteil der Krankheitsbilder), und für den Psychiater bedeutete es eine Hilfe, wenn er die individuellen pathologi­schen Merkmale des Kranken und die Unterschiede zwischen den charakteristischen Kulturmerkmalen der lokalen Gemeinschaftskultur in Betracht zieht. Als Lehre ging hieraus hervor, daß die Geisteskrankheiten - besonders die Schizophrenie - bis zu einem gewissen Grade jene Kulturkenntnisse konservieren, die die Kranken vor Zunehmen ihrer Krankheit, im Verlauf ihrer Sozialisierung aus ihrer Umwelt aufge­nommen hatten. Ja, während des Krankheitsverlaufes gewinnen gerade oft diese kul­turellen Grundelemente (pattern) erhöhte Bedeutung. Es kann also gesagt werden, ass der Geisteskranke sich an den gleichen Kultur- und Bildungselementen bereichert, wie der als gesund angesehenen Menschen, nur baut er aus diesen in einem pathologi­schen System auf. Die Krankheitsbilder erlangten für mich als Folkloristen dadurch Quellenwert,da die Kranken ihr erworbenes Wissen und ihre Kenntnisse nicht weite­rentwickelten, sondern nur konservierten. Die Bleistiftzeichnung in Schwarz-Weiss stammt von einer 35-jährigen weiblichen Kranken, welche diese 1906 anfertigte. Diese Zeichnungen zeugen von der nahezu übermenschlichen Sehnsucht nach Selbstheilung, von dem Versuch der Selbstrekonst­ruktion, bei der aus elementaren archetypischen Symbolen die Frau sich selbst zu reali­sieren versucht, indem sie ihre Selbstheilung in der visuellen Abbildung sucht. Nahezu das Lebenswerk eines Malers hinterließ jener Kranke aus dem Komitat Borsod, bei dem die Schizophrenie infolge der Schicksalsprüfungen, die er während des ersten Weltkrieges erfahren musste, durchbrach. Wir können feststellen, daß N. N. die gleiche visuelle Sprache anwendete, welche die mit ihm gleichaltrigen Bauern sich als einen Teil ihrer Kultur instinktgemäss erworben hatten. Von dem durch seine Krank­heit verstärkten Mitteilungszwang angespornt, aktivierte er jedoch dieses Können in sich selbst und nutzte es intensiv. Die kreative Qualität seiner Bilder und seiner Gesamtkunst wird dadurch bestimmt, daß er seine zerfallenen Beziehungen zur Welt und zu seiner Umgebung ver­suchte auszudrücken und vielleicht auch zu ordnen. In dieser Weise wurde die kollektiv ästhetische, visuelle Sprache aus der individuellen Notwendigkeit heraus zu einem Kommunikationsmittel . Ernő Kunt 866

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