H. Tóth Elvira - Horváth Attila: Kunbábony (Kecskemét, 1992)
IV. Die Insignien der fürstlichen Würde: Das Zubehör des khaganischen Gürtels Kat. 1–18
genden Jahrtausend jedoch, insbesondere aus dem der Awarenzeit vorangehenden Zeitraum, kennen wir bis heute asiatische Vorläufer unserer Funde nicht. Entgegen den asiatischen und osteuropäischen Darstellungen der unter dem Namen Kamenaja Baba bekannten Statuen, die ein Trinkhorn aus Horn in Händen halten680 aus der skytischen, sarmatischen und türkischen Zeit haben wir von Funden mit metallbeschlagenen Trinkhörnern keine Kenntnis. István Erdélyi führt unter den Steinstatuen aus der Mongolei ein seltenes Beispiel an, wo die Männerfigur weder einen Kelch, noch eine Tasse, sondern einen „Horn- Pokal", das heißt ein Trinkhorn mit abgewinkeltem Schaft in seiner rechten Hand hält. Von dieser für türkenzeitlich angenommenen Statue stellte es sich zwischenzeitlich heraus, daß sie ähnlich wie unsere Vorläufer des europäischen Trinkhorns skytenzeitlich ist.681 Aus den frühesten awarischen Funden sind uns Trinkhörner nicht bekannt, und auch bei großzügigster Datierung lassen sie sich nicht früher, aber auch nicht später als auf das 7. Jh. ansetzen. Auch aus dem östlich des Karpatenbeckens gelegenen Teil Europas kennen wir goldbeschlagene bzw. Edelmetall-Trink- hörner nur aus Funden, die in mehr oder weniger direkten Beziehungen zu unserem einheimischen awarischen Fundmaterial stehen (Maloje Perescepi- no, Kelegeja-Hutora). All diese Tatsachen zusammenfassend müssen wir als Schlußfolgerung daraus folgende Feststellung risi- kieren: Es ist nicht sicher, daß unsere Gold- und Silbertrinkhörner mit abgewinkeltem Schaft und deren Beschläge sämtlichst in asiatischen Werkstätten gefertigt wurden, im Gegenteil deutet alles darauf hin, daß sich die Verzierungweise einzelner Typen auf der Grundlage der bestehenden Traditionen im Kreise des europäischen Awarentums herausgebildet haben. Nach Abschluß dieses Kapitels meines Manuskripts erlangte ich Kenntnis von der Studie József Szentpé- teris, der in seiner Arbeit überlegt, ob es sich bei kein Einzelfall. Aus dem Kurgan „Gajmanowa mogila" kam unter anderem ein ähnlich zusammengestelltes, in das 4. Jh datierte, silbernes Trinkhorn zum Vorschein (BONDAR: 1975, ohne Nr.; BIDZILJA 1971. 1.; RYBAKOW: 1984, 254, Taf. LXVII. 4-6). Seine trichterförmige Öffnung ist aus getriebenem Goldblech, das Mundstück ebenfalls aus Gold und sein Ende stellt einen Löwenkopf dar. Ein anderes Goldmundstück mit Filigranverzierung endet in einem Widderkopf. 680. PASSEK-LATYNINE: 1929, 294, Abb. 1-2; 259, Abb. 3. SCHULTZ-NAWROTSKI: 1973/4, 198, Abb. 4.2. POPOWA: 1976/1, 112, Abb. 1, 3, 5-6; 114, Abb. 5, 1, 3; 115, Abb. 7. 1, 4, 5. 681. ERDÉLYI: 1982, 33. Freundlicherweise mündlich mitgeteilt, wofür ich auch auf diesem Wege danken möchte. SER-ODSCHAW: 1970, 106. unseren Trinkhörnern aus Gold oder mit Beschlägen um die in den Quellen erwähnten awarischen Signalhörner gehandelt haben könnte.682 Auf seine Initiative wurde im Labor des Budapester Instituts für Musikwissenschaften ein Versuch durchgeführt, bei dem man das Trinkhorn aus Kunbäbony mit einer Schilfzunge versah (die ursprünglich für eine Oboe angefertigt war). Mit deren Hilfe gelang es dem Musikwissenschaftler Bálint Sárosi, dem Horn einen Doppelton zu entlocken. Seiner Ansicht nach ließe sich mit einem Pfeifeneinsatz wie bei Klarinetten und mit einiger Übung das Horn durchaus vervenden und auch eine größere Lautstärke sei mit ihm zu erreichen.683 Ohne die Benutzung der Signalhörner in Zweifel ziehen zu wollen, gibt es doch zwei einschränkende Tatsachen, die es fraglich erscheinen lassen, daß diese Trinkhörner in erster Linie zum Signalgeben, zur Lenkung der Kampfmanöver gedient haben sollen. Einerseits ist keines der mir bekannten Trinkhörner so ausgebildet, daß man daran eine Zunge aus Holz, Schilf usw. zur Erzeugung von Schwingungen dauerhaft daran hätte befestigen können. J. Werner publiziert das Fachgutachten des Leiters der Instrumentensammlung des Kunsthistorischen Museums, wonach sich im Trinkhorn des Schatzes von Nagyszent- miklös keinerlei schwingungserzeugende Zunge befand, dieses also nicht als Instrument zu betrachten sei.684 Andererseits müssen diese Schwingungserzeuger aus organischem Material, bevor man sie zum Klingen bringen kann, etwa eine Viertelstunde lang vorbereitet, „eingeblasen" werden. Ich halte es also für wahrscheinlicher, daß unsere awarischen Trinkhörner vorrangig bei zeremoniellen Empfängen als Trinkgefäße bzw. als Würdezeichen verwendet wurden. GOLDENES TRINKGEFÄß (Kat. 19) Der goldene Krug unseres Fundes (Abb. 69.2.) ist im einheimischen awarenzeitlichen Hinterlassenschaftsmaterial bis dato einzigartig. Sein trichterförmiger, einem umgekehrten Kegelstumpf ähnelnder, leicht gewölbter Hals setzt sich mit gleichmäßiger Linienführung am eiförmigen Bauchteil fort, bis hinunter zum enger werdenden Gefäßboden, der konkav umgehämmert wurde. Seinen Rand verstärkt ein geripptes Goldband, seine Schultern ziert ein Band mit kunstvoll gearbeitetem Zellwerk und Glaseinlagen 682. SZENTPÉTERI: 1990. „Zum Kampf rufendes Signalhorn" - Ry- thonfunde in awarischen Führergräbern" - Manuskript. 683. KJM. A. 90/691, Pál Sztanó 684. WERNER: 1984, 15, Anm. 55. 179