H. Tóth Elvira - Horváth Attila: Kunbábony (Kecskemét, 1992)

III. Die Requisiten und Rekonstruktion der Bestattung

einst außerordentlich reiche Grab war jedoch völlig zerstört und ausgeraubt. Bemerkenswert ist aller­dings, daß aus diesem Grab auch 2 St. mandelförmige Goldbleche mit Spuren des Aufnähens zum Vor­schein kamen (L.: 1,9 cm, B.: 1,4 cm).134 Ebenfalls aus dem gleichen Grab stammen neben schmaleren län­geren oder kürzeren Goldbandstücken die bereits oben erwähnten — für Frauenhände zu großen, aus punzierten Blech gefertigten —Toten ringe. Auch in die­sem Fall läßt sich also an die mit Gold verzierte Textilhülle der unbedeckten Körperteile, der Hände und des Gesichts denken. Ein weiteres Argument, das für das mit Gold be­setzte Gesichtstuch des Khagans von Kunbäbony spricht, ist die aus dünnem Goldband spitzgehäm­merte Nadel mit leicht abgeflachtem Kopf, für deren Verwendung es nur eine einzige Erklärung geben kann, nämlich daß man mit ihr das Gesichtstuch befestigt hatte (Kat. 77.). Obwohl es zur Rekonstruktion der Anordnung der Bleche keinerlei Anhaltspunkt gibt, halten wir es für vorstellbar, daß der halbmondförmige und der „T förmige Schmuck auf der Achse des Gesichts, die „V"-förmigen Verzierungen aber links und rechts da­von angebracht gewesen sein könnten. Mangels jegli­cher Angaben erleichterte es eigenartigerweise die Rekonstruktion auch nicht, daß wir für das lunulen- förmige Goldblech unter den hunnenzeitlichen mon­golischen Schmuckstücken (Abb. 40. 4.) eine gute Pa­rallele fanden.'35 Das mit zahlreichen, zum Aufnähen dienenden Löchern und einer dreifachen Rhombus- Reihe durchbrochene Blech diente auf jeden Fall dem gleichen Zweck wie das ähnliche Exemplar aus Kun­bäbony. Wahrscheinlich ist es größer gewesen. Ebenfalls nicht eindeutig ist die Bestimmung des schon behandelten kreisförmigen Silberblechfrag­ments (Kat. 72.), das nicht nur als Münzimitation aufgefädelter Teil einer Halskette gewesen sein könn­te sondern vielleicht auf des Gesichtstuch aufgenäht, zusammen mit einem anderen, verloren gegangenen Exemplar die Augen symbolisiert hat. Auf der einen Seite scheint das Verschwinden eines Stückes der von den Findern minderbewerteten Silberscheiben glaubhafter als das einer größeren Serie. Andererseits könnte es vielleicht erklären, wie trotz der großen Menge Goldes ein Silberblech als Totenobolus in das Grab des Khagans gelangt war (Kat. 74.), dessen pas­sendes Paar wir im erwähnten Grab 29 des nahen Gräberfeldes von Kunpeszér über dem Zungenkno­chen des Frauenskeletts fanden. Danach würde es sich von selbst anbieten, Parallelen zwischen diesen 134. H. TÓTH: ArchÉrt. 1960, 238, ArchÉrt. 1961, 292, nicht veröf­fentlicht. 135. CULTEM: 1987, 3. Erscheinungen und der Rolle der im Kreise der Völker der Ural-Gegend gebräuchlichen Silbermasken sowie der auf das Gesichtstuch oder die Augenbinde ge­nähten Silberbleche zu ziehen.136 Es läge auf der Hand, auf die häufig betonte kultische Ehrerbietung zu verweisen, die zahlreiche Völker dem Silber als „heiliges Metall" entgegenbrachten.'37 Gyula László aber stellte zusammenfassend fest, daß dies eine Eigenheit der Völker der Waldzone gewesen ist, wäh­rend das würdeanzeigende Metall der Nomaden der Steppengegend zu jeder Zeit das Gold war. Es ist wahr, daß im Kreise des Awarentums das Gold als Rangabzeichen immer vor dem Silber lag, wurden doch sogar die aus schlechtem Silber gepreßten Be­schläge nach Möglichkeit mit Goldfolie überzogen und so veredelt. Unbeachtet bleiben darf allerdings auch nicht, daß die aus den Frauengräbern gut be­kannten Sieblöffel, Schabemesser (Strigilis), Pinzetten usw. — deren Bestimmung bis heute nicht enträtselt wurde und die man meist für Toilettengegenstände seltener für Geräte zu kultischen Zwecken hielt -, häufig aus Silber gefertigt waren. Und obwohl uns also — das müssen wir nochmals betonen — keine Beobachtungen zur Verfügung ste­hen, sind wir der Meinung, daß wir aufgrund der großformatigen Totenringe die auf vom Bestatteten getragene Handschuhe hindeuten, sowie des ge­meinsamen Vorkommens der auf Stoff aufgenähten Goldbleche und „Lunulen" in der spätawarenzeitli­chen Epoche, und unter Beachtung der Analogien aus der Ural-Gegend und des Ostens mit Recht das Vorhandensein eines mit Gold- und eventuell Sil­berblechen besetzten Gesichstuches im Grab des Khagans von Kunbäbony annehmen können. AN DEN KLEIDUNGSSTÜCKEN BZW. TEXTILIEN AN­GEBRACHTE GOLDVERZIERUNCEN In Anbetracht der Unsicherheiten im Zusammen­hang mit den aufgenähten Goldblechen stellt es be­züglich der blattförmigen und bandartigen Blechfrag­mente einen sicheren Anhaltspunkt dar, daß wir wissen, daß sie überwiegend von den am Ende des Grabes, in der Umgebung der Füße grabenden Fin­dern eingesammelt wurden (Kat.: 82. a-b, 83. a-b, 84., 85.). In dieser Region könnten sie somit an den Stie­feln oder dem Saum des Gewandes befestigt gewe­sen sein (kleinere Bruchteile von ihnen kamen bei der Durchsuchung des herabgesackten Erdreichs des Grabes zum Vorschein). Die Bestimmung ihres ge­136. BARTHA: 1968, 175-178. ERDÉLYI—OJTOZI—GENING: 1969, Taf. XLVI. FODOR: 1971, 292; 1972, 284; 1973, 172, Taf. XXIV. 137. LÁSZLÓ: 1955, 183-184, 290. 93

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