Die Ungarischen Archive (Budapest, 2007)
DAS UNGARISCHE STAATSARCHIV UND DIE STAATLICHEN FACHARCHIVE - Géza Érszegi - István G. Vass: Das Ungarischen Staatsarchiv
aufbewahrt werden. Hierzu gelangte auch der zum Teil offizielle und zum Teil private Briefwechsel der Fürsten. Die Schriftstücke des Fürstenhofes sind auch von großer Bedeutung. Die andere große Gruppe der Unterlagen aus den fürstlichen Behörden sind Produkte der fiskalischen Organe: die Abrechnungen der fiskalischen Landgüter, der Briefwechsel deren Amtsträger untereinander bzw. mit ihren Obrigkeiten, Abrechnungen, Produktionsnachweise und Zahlungsverzeichnisse von Bergwerken, Dreißigstelbescheinigungen, Abrechnungen, Schriften bezüglich der Zehntelpacht. Das Aktengut der Fürsten und ihrer Behörden ist jedoch unvollständig erhalten geblieben. Die fürstlichen Familien nahmen nach dem Tod des Fürsten den Teil ihres Archivs mit, der - gemäß den Gesetzen und dem öffentlichen Recht - nicht im Besitz des Archivs bleiben musste. Das Schriftgut einiger Fürsten befindet sich daher heute in Familienarchiven. Ein Teil der Schriften von denjenigen Fürsten, deren zentraler Sitz eine gewisse Zeit lang in Ungarn war, gelangte in das Archiv der ungarischen Kammerbehörden. Von den Archiven der beiden Kurutzenfürsten Thököly und Ferenc Rákóczi IL gelangte einiges nur zufällig in das Archiv. Das Archiv wurde darüber hinaus durch die Aufnahme der Archive von Familien und Privatpersonen in das Archiv des Kapitels erweitert. Außerdem gelangte eine größere Menge von Abrechnungen bezüglich des Unterhalts des Militärs am Ende des 17 Jahrhunderts ins Archiv. Das siebenbürgische (Gyulafehérváré? 0 ) Bistum wurde 1715 neu gegründet und von Karl III. auch mit der Verwaltung des Archivs beauftragt. Mit der Untersuchung des Zustands des Archivs wurde 1756 ein Ausschuss beauftragt, der die Materialien verschiedener Provenienz einigermaßen sortierte. Das Archivgut wurde aber ab 1769 durch die Errichtung des Siebenbürgischen Fiskalarchivs, das Dokumente zur Sicherung der fiskalischen Rechte aufbewahrte, reduziert. Die selbstständige Geschichte des in Gyulafehérvár (heute in Rumänien) verwahrten Staatsarchivs endete 1882. Die Vereinigung des Staatsarchivgutes mit dem Ungarischen Staatsarchiv wurde gesetzlich vorgeschrieben. Seine inhaltlich nicht zutreffende Bezeichnung ist jedoch erhalten geblieben: das Landesarchiv der glaubwürdien Orte des Kapitels von Gyulafehérvár (Karlsburg, heute in Rumänien) und des Konvents von Kolozsmonostor (Appesdorf heute in Rumänien). Nachdem Siebenbürgen unter habsburgische Herrschaft gekommen war, wurde 1693 das Gubernium lokaler siebenbürgischer Regierungssitz. Man hatte ursprünglich vor, das Gubernium in Gyulafehérvár (Karlsburg, heute in Rumänien) zu errichten, seinen Sitz hatte es aber im Laufe des 18. Jahrhunderts in Nagyszeben (Hermannstadt, heute in Rumänien) und später in Kolozsvár (Klausenburg, heute in Rumänien). Es spielte eine ähnliche Rolle als der Siebenbürgischen Kanzlei in Wien untergeordnetes Organ in Siebenbürgen - das innerhalb der Monarchie ein selbstständiges Fürstentum und später Großfürstentum (1765) war - wie der Statthaltereirat in Ungarn. Neben der Kanzlei waren mehrere Ausschüsse tätig: der Militär-, der Steuer-, der Handels- und der Gesundheitsausschuss sowie die Zensur.