Die Ungarischen Archive (Budapest, 2007)
DAS UNGARISCHE STAATSARCHIV UND DIE STAATLICHEN FACHARCHIVE - Géza Érszegi - István G. Vass: Das Ungarischen Staatsarchiv
Obwohl alle archivalischen Einheiten (Archive, Bestände, Teilbestände) des Ungarischen Staatsarchivs, die in Sektionen eingeordnet werden, besonders wertvoll sind, sind einige jedoch aus inhaltlicher Hinsicht hervorzuheben. Im Archiv der ungarischen Hofkanzlei (1526-1848 - Sektion A) werden die Dokumente der obersten ungarischen Verwaltungsbehörde aufbewahrt. Ihre Grundlagen wurden am königlichen Hof in Wien (zwischen 1576 und 1612 in Prag) gelegt. Von der Hofkanzlei wurden die Angelegenheiten bezüglich Ungarns dem Herrscher vorgelegt, die Verordnungen im Namen des Herrschers erlassen und Briefe mit Hofbehörden gewechselt. Finanzen, auswärtige Angelegenheiten und Militärwesen fielen jedoch nicht in ihre Kompetenz, die Hofkanzlei spielte in dieser Hinsicht eine untergeordnete Rolle. Ihr Archivgut gelangte 1872 von Wien nach Pest. Ihre Tätigkeit zwischen 1526 und 1690 ist uns aus den Dokumenten des Ungarischen Rates, der neben der Hofkanzlei fungierte, bekannt. Die vollständige Reihe der Vorlagen der Kanzlei ab der Umorganisierung vom 1690 ist erhalten geblieben. Aufgrund der Amtsreform befassten sich vier Räte und zwei Sekretäre mit den Angelegenheiten, die bei den Ratssitzungen beraten wurden. Ab der Umorganisierung von 1770 sind ganze Reihen von allgemeinen Dokumenten verschiedener Angelegenheiten bekannt, über die in den Ratssitzungen verhandelt wurde. Eine der wichtigsten Reihen bilden die Königlichen Bücher, mit denen die mittelalterliche Praxis fortgesetzt wurde. Die Texte der Dokumente über die wichtigsten Schenkungen und Entscheidungen wurden hier eingetragen. Die Königlichen Bücher enthalten ab Mitte des 18. Jhs. nicht nur die Texte der Wappenverleihungen des Herrschers, sondern auch die Abbildung der Wappen. Das Archiv der siebenbürgischen Hofkanzlei (1686-1867 - Sektion B) enthält die Schriften der Siebenbürgischen Hofkanzlei, die entstand, nachdem Siebenbürgen unter habsburgische Herrschaft geraten war (1693). Es nahm seine regelmäßige Tätigkeit 1695 in Wien auf und leitete die Verordnungen des Hofes an die siebenbürgischen Regierungsorgane bzw. die Berichte und Vorlagen letzterer an den Hof weiter. Obwohl seine Tätigkeit der der Ungarischen Kanzlei ähnlich war, hatte es aber einen viel kleineren Zuständigkeitsbereich. Das Archivgut des Archivs des ungarischen Statthaltereirates (17 Jh. -1848 - Sektion C) entstand im Laufe der Tätigkeit des 1723 gegründeten Ungarischen Königlichen Statthaltereirates, des höchsten Amtes in Ungarn (das seinen Sitz zuerst in Pozsony [Pressburg, heute in der Slowakei] und dann in Buda [Ofen] hatte). An der Spitze des Amtes stand der Palatin, der unter territorialem Aspekt für ganz Ungarn zuständig war. Die Militärgrenze und Siebenbürgen gehörten jedoch nicht zu seinem Zuständigkeitsbereich. In seine Kompetenz fiel alles vom wirtschaftlichen Leben bis zu Bildung und Kultur, d.h. was die aufgeklärte absolutistische Staatsgewalt unter ihrer Kontrolle hielt: die Bevölkerung, die Landwirtschaft, das Gewerbe, der