Die Ungarischen Archive (Budapest, 2007)

DAS UNGARISCHE STAATSARCHIV UND DIE STAATLICHEN FACHARCHIVE - Géza Érszegi - István G. Vass: Das Ungarischen Staatsarchiv

- vor allem die ständischen Privilegien - sicherten, von großer Bedeutung waren. Die Aufbewahrung der Schriften landesrechtlicher Natur (königliche Erlasse, Gesetze, Schriften des Ständetages, Urkunden von Friedensschlüssen usw.) wurde gemäß den Gesetzen von 1613 - entsprechend den Traditionen der früheren Jahrhunderte - eine Pflicht des Palatins. Der Gesetzartikel XLV/1723, der die Entscheidung der Stände über die Gründung des Allgemeinen Staatsarchivs enthält, war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entstehung eines selbstständigen Archivs. Die Aufgabe dieses Archivs war die Aufbewahrung der Akten des Landes (d.h. der Schriften der Ständetage, der Verwaltung und der Gerichte) und nach Möglichkeit die Übernahme derjenigen Landesakten, die sich bei Privatpersonen befanden. Diese Beschlüsse wurden aber erst nach drei Jahrzehnten durch die energischen Maßnahmen des Palatins Lajos Batthyány verwirklicht. Eine landesweite Bewegung zum Aufspüren und Sammeln von früher verloren gegangenen Schriftstücken wurde von ihm veranlasst, und der erste ständige Beamte des Archivs wurde 1756 von ihm ernannt. Dank dieser und späterer Maßnahmen des Palatins konnte das Archiv des Landes seine selbstständige institutionelle Tätigkeit beginnen: Das Jahr 1756 wird auch als Gründungsjahr des Ungarischen Staatsarchivs angesehen. Das Archiv des Landes befand sich bis 1785 in Pozsony (Pressburg, heute in der Slowakia) und dann in Buda (ofen) in der heutigen Orszaghaz-Straße. In den nächsten Jahrzehnten übernahm es allmählich die Akten der Ständetage, der Ausschüsse der Ständetage, der Palatine, der Landesrichter usw. Das Schriftgut der zentralen Regierungsorgane gehörte jedoch nicht zu dem Zuständigkeitsbereich des Archivs des Landes, da diese nach der ständischen Auffassung königliche Behörden waren. Die wichtigsten solcher Behörden waren die Ungarische Hofkanzlei, die im 16. Jh. gegründet und im 18. Jh. neu organisiert wurde, die Hofkammer und der 1723 gegründete Statthaltereirat. Die Aufbewahrung des öffentlichen Schriftgutes des Fürstentums Siebenbürgen war grundsätzlich die Aufgabe der Archive der in Siebenbürgen tätigen sog. glaubwürdigen Orte (loca credibilia) 1 , d.h. der des Kapitels von Gyulafehérvár (Karlsburg, heute in Rumänien) und des Konvents von Kolozsmonostor (Appesdorf, heute in Rumänien). Diese Archive wurden nach der Entstehung des Fürstentums Siebenbürgen und mit der Verbreitung der Reformation den kirchlichen Körperschaften entzogen. Mit der Betreuung dieser Archive wurden die zuerst von den Fürsten ernannten und später von den Ständetagen gewählten Personen beauftragt. Gesetze wurden darüber verabschiedet, dass bestimmte Schriftstücke, die für das Fürstentum und für dessen Bewohner äußerst wichtig waren, in diesen Archiven aufzubewahren waren. Die Fürsten ließen aber auch andere Schriften (Verwaltungsakten, Korrespondenzen, Gesandtschaftsberichte) im Archiv des in ihrer Residenzstadt Gyulafehérvár (Karlsburg, heute in Rumänien) befindlichen glaubwürdigen Ortes

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