Die Ungarischen Archive (Budapest, 2007)
DAS UNGARISCHE STAATSARCHIV UND DIE STAATLICHEN FACHARCHIVE - Géza Érszegi - István G. Vass: Das Ungarischen Staatsarchiv
Kanzlei tätig: die kleine (oder geheime) Kanzlei und die große Kanzlei, eng verbunden mit den königlichen Präsenzgerichten und den Ämtern der beiden obersten Richter des Palatins und des Landesrichters. Mit den wirtschaftlichen Angelegenheiten befasste sich anfangs der Tavemikus, aus dessen Amt sich später die Gerichte der sogenannten königlichen Freistädte entstanden. Die wirtschaftlichen Angelegenheiten wurden von dem Schatzmeister übernommen. Das zentrale Archiv des mittelalterlichen ungarischen Staates, das den Angaben nach in der Schatzkammer bewahrt wurde, bestand wahrscheinlich aus dem archivalischen Material, das durch die Tätigkeit dieser Ämter entstand. Die Register, die Protokolle, d.h. die sogenannten Königlichen Bücher, die die Texte der Schenkungsbriefe enthielten, bildeten den wichtigsten Teil des königlichen Archivs. Heute weiß man nur aufgrund der Kanzleivermerke, die auf die Rückseite der Originalausfertigungen geschrieben wurden, in welchem Band und unter welchen Nummern die Texte der Schenkungsbriefe eingetragen wurden. Die Staatsverwaltung veränderte sich im 15/16. Jh. in ganz Europa. Zu dieser Zeit wurden die meisten Aufgaben der um die Wende des 12/13. Jahrhunderts entstandenen Kanzleien in den verschiedenen Ländern von den neuen Ämtern übernommen. Die große Trennungslinie der ungarischen Geschichte war am 29. August 1526 die Schlacht bei Mohács gegen die Türken. Nach dem Sieg der Türken wurde Ungarn in drei Teile aufgespalten. Im königlichen Ungarn mit einem aus dem Habsburger Herrscherhaus gewählten König wurden die Traditionen des mittelalterlichen ungarischen Staates weiterentwickelt; neue Ämter sind entstanden - vor allem die Kammer, die auf das wirtschaftliche Leben des Landes großen Einfluss hatte. Das in Siebenbürgen entstandene Fürstentum setzte ebenso die Traditionen der früheren ungarischen Staatsorganisation fort. Im mittleren Teil des Landes, das unter türkische Herrschaft kam, konnte neben der türkischen Verwaltung die ehemalige ungarische Verwaltungsstruktur weiterhin beibehalten werden. Ab diesem Zeitpunkt sind die zentralen Verwaltungsorgane Ungarns, die von den habsburgischen Königen organisiert wurden, und die Behördenorganisation des Fürstentums Siebenbürgen, das anderthalb Jahrhunderte lang als ein selbstständiger Staat fungierte, völlig verschiedene Entwicklungswege gegangen. Aus archivalischer Sicht kann diese Situation dadurch charakterisiert werden, dass die Schenkungsbriefe sowohl in Wien als auch im Fürstentum Siebenbürgen in Königliche Bücher eingetragen wurden, wie es im Mittelalter in Buda (Ofen) der Fall war. Diese Praxis wurde allerdings auch nach der Befreiung des Landes von der türkischen Herrschaft und nach der Wiedervereinigung Ungarns fortgesetzt (1686). Die ungarischen Landtage beschäftigten sich schon seit dem Anfang des 17 Jahrhunderts mit der Frage der Landesakten. Es wurde nämlich allen klar, dass im Kampf gegen die monarchische Macht die Dokumente, die die Rechte des Landes