Linzbauer, Franciscus Xav.: Codex Sanitario-Medicinalis Hungariae 1 (Budae, 1852-1856)

Mantissa

735 Erstlich ist zu merken, dass kein Zeuge vorhanden, welcher aussage, dass die Todten denen Lebendigen erscheinen, sondern man gibt nur vor, dass man eine Aengstigkeil und Beklemmung empfunden, welche zum Schlaffen ge­zwungen hat. Ich lasse erachten, ob diese guten Leute, wenn die Einbildung durch die täglichen Erzählungen von Geistern und anderen Blendwerken etc. einmal eingenommen worden, in ihren Bettern vor dem Einschla/fen nicht haben in Furcht seyn sollen ? Aus der Untersuchung, welche die Commissarien angestellt haben, er­hellet, dass sie die Aengstigkeiten nur damahl ausgestanden, wann sie gele­gen waren; andere Zeugenschaften aber geben zu erkennen, dass sie sich erholt haben, icenn man sie im Bette aufsitzen lassen Zudem so weis denn auch jedermann, was für abscheuliche Aengstigkeiten die Furcht verursa­chen kann. Andere haben geglaubt, sie sehen oder hören einen Hund, ein Kalb, ein Schic ein, ein Kalbskopf etc. Hatte denn der Teufel nöthig, einen mensch­lichen todten Körper lebendig zu machen, in einer solchen Hundes- oder Kal­besgestalt zu erscheinen? Es ist ja zwischen der Ursache, und der vorgege­benen Wirkung nicht die geringste Verbindung. Ein Hund, eine Katz, über alles, wenn sie schwarz sind, und bei Nacht gesehen werden , sind jederzeit der Teufel oder ein Gespenst, welches auf dem Freudhofe oder sonst herumschleicht. Sogar eine Sau, welche vor einem Hause vorbeygrunzete, wurde (wie einige Zeugenschaften es angeben) für einen aufgestandenen Vampyre gehalten. Ich müsste mich schämen, wenn ich alle die Einfältigkeiten wiederholen würde, welche sich in diesen Zeug­nissen befinden. Jedoch es ist Zeit, auch von dem Ursprünge dieser Begebenheit ein Wort zu sagen. Eine geicisse Sallingerin, oder sonst die Wenzel B ic h té­rin n genannt, ist vor 18 Wonathen begraben worden. Nun giebt man vor, sie sey ein Hexe gewesen, und alles Uebel komme von ihr her. Wo sind aber die Proben , dass sie eine Hexe gewesen ? Dieses gute Weib theilte Arzneyen aus, und ihr Sohn hat ihr vorgegebene Arcana entdecket. Es waren Krebs- Augen , die in Wasser zerlassen, einige Kräuter und Wurzen etc. ohne die geringste Spur eines Aberglaubens. Einsmals aber um ihre Kuren zu beschö- nen, und das Geheimniss noch grösser zu machen ; befahl sie einem Kran­ken , er sollte vier Thaler in eines seiner Hemder einnähen, und ihr zuschi­cken , so wollte sie ihm die Arzney zukommen lassen. Nun giebt man vor, dieser Kranke sey verhexet, die Commissarien aber haben ihn examinirt und an ihm wahrgenommen, dass er an einer schweren, doch ganz natürlichen Krankheit, nämlich an der Colica Pictonum krank lie­ge, welche den Kranken an allen Gliedern contract, und zusammen gezogen oder gerumfet macht. Wir sind icirklich beschäftiget im hiesigen Burgerspi­tal einen solchen Kranken zu curiren. Ein andersmal soll sie den Tag vorgesagt haben, an dem ein Kranker sollte gesund werden. Diese sind die Betceise, dass sie eine Hexe gewesen. Es hat das Ansehen , dass man bey ihrer Lebenszeit diesen Beweis nicht für gültig oder hinlänglich gehalten, dann sie hat die heiligen Sacramenten em­pfangen ; sie ist im Schoosse der Kirche gestorben. Sie ist mit christlichen Ceremonien ins Grab eingeweihet worden: und 18 Monate nach ihrem Tode, muss sie eine verbrennenswürdige Hexe seyn! Auf solchen Gründen ist die ganze Geschichte gebauet, und man hat Lasier auf Laster ge häufet, so gar (darf ich es sagen) Sacrilegia begangen.

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