Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

398 Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber. Ich mache es C. Braun zum Vorwurfe, dass er sich meistens auf die Gegenwart stützt, und daraus sehr falsche Schlüsse zieht. In welche Barbarerei würde das Menschengeschlecht versinken, wenn die Vergangenheit für folgende Generationen verloren wäre. Kann eine Generation die Schifffahrt erfinden und einen Great-Eastern bauen? wie viele Generationen mussten sich abmühen, bis man es zu Locomotiven brachte, welche den Semmering befahren. Doch bleiben wir bei dem Puerperalfieber. C. Braun sagt: ,.Im AVintersemester 1849/50 trat wie gewöhnlich im Herbste das Puer­peralfieber mit Heftigkeit auf.;< und aus dieser Beobachtung, die sich auf die Gegenwart stützt, zieht er den falschen Schluss, dass der AVinter dasjenige sei, welches das Puerperalfieber erzeuget; die A7er- gangenheit lehrt, dass im Wiener Gebärhause während 25 Jahren nicht eine AVöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb; die Vergangen- heit lehrt, dass in England in 19 Jahren keine AVöchnerin und in 105 Jahren nicht eine von 100 AVöchnerinnen in den dortigen Gebär­häusern starb; ich stütze mich auf die Vergangenheit und ziehe daraus den wahren Schluss, dass der AVinter nicht das Kindbettfieber er­zeuget. (Siehe Tabelle Nr. XVII, Seite 135 und Tabelle Nr. XXXIV, Seite 208.) Und wenn C. Braun desshalb die Vergangenheit nicht gelten lassen will, weil der Geburtshelfer nicht im Stande sei, über die Ein­flüsse Rechenschaft abzulegen, welche auf den Gesundheitszustand eines Gebärhauses während mehrerer Decennien eingewirkt haben mögen, so habe ich diesen Ausspruch Carl Braun’s dadurch gründlich widerlegt, dass ich in dieser Schrift oft Gelegenheit hatte anzugeben, welches die Einflüsse waren, von welchen der Gesundheitszustand des AViener Gebärhauses während der 74 Jahre seines Bestehens ab­hängig war. C. Braun möge sich nur erinnern, wie viel er in der Vergangen­heit sich umgesehen, als er sein Lehrbuch der Geburtshilfe zusammen­getragen. Denn gewiss, ich bin der Ueberzeugung, wenn wir aus diesem Lehrbuche alles das streichen würde, was A7ergangenheit ist, nichts übrig bleiben würde, als der Einband, als Product der Gegen­wart. Denn selbst die durch C. Braun im erweiterten Umfange ein­geführte, das geburtshilfliche Studium und das geburtshilfliche Arer- ständniss so sehr erleichternde griechische Terminologie wurzelt in der A7ergangenheit. Meine Sätze: Die Sterblichkeit der AVöchnerinnen ist in der Wiener Schule, in welcher Aerzte, die sich mit pathologisch-anato­mischen Untersuchungen beschäftigen, unterrichtet werden, in dem durch Tabelle Nr. I. repräsentirten Zeiträume constant viel grösser als in der Hebammenschule gewesen. Der Chlorkalk zerstört den zersetzten Stoff, und ist desshalb ein Schutzmittel gegen Puerperalprocesse, sind durch die Angriffe C. Braun’s nicht erschüttert worden. c) Das Einbringen von Jauche oder Exsudaten aus weiblichen oder männlichen Cadavern, die von verschiedenartigsten Kranken her- rührten, mittelst Injection oder Bepinseln der Innenfläche des Uterus erzeugt bei Kaninchen nach dem AVurfe oftmals den Tod durch Pyämie; manchmal wirkt aber ein wochenlanges Bepinseln der purerperalen Uterusfläche bei Kaninchen nicht schädlich ein, die Thiere bleiben

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