Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

ob meine Hände von Cadavern rochen oder nicht. Die Folgen, welche dieses Nichtwissen hatte, habe ich an den betreffenden Stellen dieser Schrift mitgetheilt. Ueberzeugt sein ist doch sicherer als nicht Wissen, wenn daher C. Braun überzeugt ist, dass der Cadaver nicht inficirt, warum verliess er sich denn nicht einmal auf die Schutzkraft des Chlorkalkes, warum befiehlt er denn seinen Schülern auf das Gewissen­hafteste, keine Gebärende zu untersuchen, wenn an demselben Tage ein Cadaver von ihnen berührt wurde? Aber etwas läugnen und es dennoch beobachten, heisst ein Fal- sum begehen. Dass der Cadaver inficirt und dass der Chlorkalk desinficirt, hat selbst C. Braun bewiesen. Wir haben schon Gelegenheit gehabt zu erzählen, dass während der fünfjährigen Assistenz und der einjährigen Professur C. Braun’s sich 24,692 Geburten ereigneten, davon starben 613, also 2,48 °/0; es verminderte sich daher die Sterblichkeit im Vergleiche zu den 6 Jahren der Klinik für Aerzte ohne Chlorwaschungen, durch Ver­hütung der cadaverösen Infection mittelst Chlorwaschungen um 7.14 °/0; und wenn wir die Sterblichkeit der einzelnen Monate nehmen, so stieg selbe während der 6 Jahre ohne Chlorwaschungen bis 31 °/0, während in den einzelnen Monaten die Sterblichkeit während der vierjährigen Assistenz C. Braun’s 7 % nicht überstieg. Vom fünften Jahre und vom ersten Jahre der Professur stehen uns die Monatsrapporte nicht zu Gebote. Wir haben gesehen, dass C. Braun die cadaveröse Infection be­kämpft, und dass er dennoch gegen die cadaveröse Infection Schutz sucht; denselben Widerspruch finden wir auch beim Chlorkalk wieder, er spricht dem Chlorkalk jede desinficirende Eigenschaft ab. und lehrt eine vollkommenere Methode der Anwendung des Chlorkalkes, als ich gelehrt. Ich habe im Jahre 1848 von der desinficirenden Eigenschaft des Chlorkalkes nach einer vollkommenen Methode Gebrauch gemacht, und habe 10 Fälle von verhütbarer Infection von aussen gehabt; C. Braun hat nach einer vollkommenen Methode von der desinficirenden Eigenschaft des Chlorkalkes Gebrauch gemacht und hatte im Jahre 1849 65, im Jahre 1850 37, im Jahre 1851 34, im Jahre 1852 137, im Jahre 1853 52, im Jahre 1858 44 verhütbare Infectionsfälle von aussen. Den Grund, warum C. Braun trotz der Anwendung einer voll­kommenen Methode mehr Infectionsfälle von aussen hatte als ich, finde ich in der Opposition C. Braun’s gegen meine Lehre, wodurch die Vorsicht der Schüler eingeschläfert wurde. Und wie competent C. Braun bei der Aetiologie des Kindbett- fiebers mitspricht, geht daraus hervor, dass er die Puerperalfieber- Epidemien ohne eruirbare Veränderungen beginnen und ohne eruir- bare Ursachen auf hören lässt; obwohl ihm 30 Ursachen des Kind­bettfiebers bekannt sind. Scanzoni lässt doch wenigstens die Wöchnerinnen nur zum Theil ohne eruirbare Ursache am Kindbett­fieber sterben, für den andern Theil hat er ein sicheres aetiologisches Moment für das Kindbettfieber in dem Zufalle. So lange ich als Assistent fungirte, wurden an der II. Klinik die Chlorwaschungen nicht eingeführt. C. Braun behauptet, dass mit dem Jahre 1849 die Chlorwaschungen auch auf der zweiten Klinik Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber.

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