Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das kindbettfieber. 81 Hammernik leugnet die Bestandsfähigkeit der Leicheninfections- Theorie, indem er die Ursache des Kindbettfiebers aus der nämlichen Quelle herleitet, woher die Cholera entspringt. — Wäre dies wahr nämlich dass die Cholera und das Kindbettfieber aus derselben epi­demischen Ursache hervorgehen, dann müsste zu den Zeiten, wo unter den Wöchnerinnen das Kindbettfieber herrscht, bei einem anderen Theil der Bevölkerung die Cholera herrschen. Dies ist aber nicht zu beob­achten, vielmehr das Gegentheil, nämlich, dass wenn wirklich die Cholera herrscht, die epidemischen Einflüsse auch bei Wöchnerinnen nicht das Kindbettfieber, sondern die Cholera erzeugen. Bamberger sagt: „Die Theorie der Infection ist aus dem Grunde weniger wahr, da wir in den meisten Fällen an der Leiche der an Kindbettfieber Verstorbenen gar kein locales Leiden an der Kesorptionsstelle nachweisen können, während meiner Meinung nach an der Innenfläche des Uterus in Folge der Uebertragung zersetzter thierisch-organischer Stoffe zuerst ein circumscripte Endometritis, Phlebitis und Lymphangioitis auftritt; der hierdurch entstandene Eiter wird dann resorbirt und bringt das Kindbettfieber hervor.“ Nie habe ich diese Behauptung aufgestellt; meine Lehre über die Entstehung des Kindbettfiebers ist vielmehr die, dass der zersetzte thierisch-organische Stoff ohne jedes locale Leiden resorbirt wird, dass die erste Folge der Kesorption die Entmischung des Blutes ist, aus diesem entmischten Blut lagern sich die verschiedensten Exsudate ab, das Exsudat selbst kann sich an die Kesorptionsstelle ablagern oder auch nicht; das auf der Resorptionsstelle gefundene Exsudat hat die­selbe Bedeutung, wie in beliebigen anderen Organen, und nicht das ist die Ursache des Kindbettfiebers, sondern die Ausscheidung des durch die zersetzten thierisch-organischen Stoffe entmischten Blutes. Prof. Braun ist ebenfalls gegen meine Theorie über die Ent­stehung des Kindbettfiebers, indem er sich auf jene Epidemien beruft, welche während seiner Assistenzzeit trotz den Chlorwaschungen aufgetreten sind. Diesbezüglich weisen wir auf das hin, was wir über die trotz den Chlorwaschungen auftretenden Epidemien bei Scanzoni und Seyfert gesagt haben. Als noch wichtigeren Beleg bringt Professor Braun eine an der (II.) Abtlieilung der Hebammen aufgetretene Epidemie vor, an welcher Abtheilung also eine Leichen- infection nicht denkbar ist. Das Geheimniss dieser Epidemie deckt Professor Chiari in seinem Aufsatze: „Winke zur Vorbeugung der puerperalen Epidemie“ im Wochenblatt der Zeitschrift der k. k. Ge­sellschaft der Aerzte zu Wien. I. Jahrgang, 19. Februar 1855 auf. In diesem Aufsatze beschreibt Chiari zwei an der Prager Klinik beobachtete Epidemien. Er sagt: „Vom 23.—27. Jänner 1853 wurde bei einer Erstgebärenden eine den eben be­stimmten Zeitraum anhaltende Verzögerung der Geburt durch Verdickung des Muttermundes und nachträg­liche Gangraenescenz noch während der Geburt beob­achtet. Nachdem vergebens Bäder, Einspritzungen, Antiphlogose, Incisionen des knorpelharten und finger­dick gewulsteten Muttermundes angewendet worden waren, schritt man zur Verkleinerung des bereits durch den längeren Geburtsact gestorbenen Kindes, um die Geburt nach viertägiger Dauer zu vollenden. Die Ab­sonderung aus der Scheide war in den zwei letzten Semmelweis’ gesammelte Werke.

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