Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

der Medicin als eine Ursache vermehrter Erkrankung nicht angesehen werden konnte, so hielt der Vorstand der Klinik doch diese Vorsicht für nöthig.“ „a. Obwohl verdünnte Lösungen von Chlorkalk in offenen Gefässen von Autoritäten in der Chemie für unpassend zur Zerstörung organischer Stoffe und des üblen Geruches angesehen werden, und ihre practische Unwirksamkeit in Wien 1854—55, so wie an anderen Universitäten erwiesen, so wurde dasselbe dennoch in die Wasch­becken gebracht.“ Im Jahre 1848 benützte ich verdünnte Lösungen von Chlorkalk in offenen Gefässen; es starben 45 Wöchnerinnen von 3556 Wöchnerinnen, also 1,27 °/0 oder 1 von 79lj4- Wöchnerinnen. Im Jahre 1854 starben 400 Wöchnerinnen von 4393 Wöchnerinnen, also 9,10% oder 1 von 10393/40o Wöchnerinnen. Im Jahre 1855 starben 198 Wöchnerinnen von 3659 Wöchnerinnen, also 5,41 % oder 1 von 1895/198 Wöchnerinnen. Ist die grössere Sterblichkeit der Jahre 1854 und 55 im Ver­gleiche zum Jahre 1848 der Unwirksamkeit des Chlor’s oder der Unredlichkeit Gustav Braun’s zuzuschreiben, welcher durch seine Bemerkungen gegen die Chlorwaschungen die Schüler verhinderte, sich gewissenhaft zu waschen? Carl Braun sagt: „Trotz aller dieser obenangeführten ausserordentlichen Massregeln erkrankten vom 1. bis 15. November von 253 verpflegten Wöchnerinnen neuerdings 48.“ Und damit glaubt Carl Braun bewiesen zu haben, dass die oben­angeführten, meiner Lehre entnommenen ausserordentlichen Mass­regeln erfolglos geblieben seien; aber dieser schlechte Mensch ignorirt, dass die 48 Wöchnerinnen, welche im November erkrankten, im October inficirt wurden, wo die obenangeführten ausserordentlichen Massregeln noch keine Anwendung fanden; am 12. November konnte ja Ferdinand Silas das Rimmel’sche Liquid nicht mehr in Anwendung bringen, weil die Epidemie schon nachgelassen. Die Bedaction der „Oesterreichischen Zeitschrift für praktische Heilkunde“, worunter Prof. Patruban zu verstehen ist, macht zu dem Berichte Carl Braun’s an die Krankenhaus - Direction folgende An­merkung: „Wir hielten es für zeitgemäss, über den Gang dieser Epidemie sogleich zu berichten, einerseits, um argen Gerüchten vor­zubeugen, andererseits, um aus den von dem würdigen Vorstande der I. Klinik getroffenen, höchst lobenswerthen Vorsichtsmassregeln zu beweisen, welch’ argen Täuschungen sich Prof. Semmelweis in Pest, bezüglich der Unfehlbarkeit seiner Praeservative hingegeben, und wie es durchaus nicht an der Zeit war, jene zwei berüchtigten Send­schreiben auszustreuen, deren Inhalt den Verfasser selbst gerichtet hat.“ Der Leser sieht, dass Carl Braun dadurch den Prof. Patruban in Betreff der Unfehlbarkeit meiner Praeservative täuschte, dass er sagte: „Trotz aller dieser obenangeführten ausserordentlichen Mass­regeln erkrankten vom 1. bis 15. November von 253 verpflegten Wöchnerinnen neuerdings 48.“ Dass diese 48 Wöchnerinnen im October inficirt wurden, und im November erkrankten, sagt Carl Braun nicht, und Ferdinand Silas sagt, dass am 12. November die Epidemie schon nachgelassen hatte, zum unumstösslichen Beweise der Unfehlbarkeit meiner Praeservativen, um Pseudo - Kindbettfieber- Epidemien zu verhüten, oder auch schon herrschende Pseudo-Kind- bettfieber-Epidemien zu unterdrücken. Die arge Täuschung in Betreff Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber.

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