Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

giebt, ereignete sich an der Klinik für Aerzte zu Prag, zur Zeit, als Scanzoni dort als Lebensretter wirkte. Mit der dritt grössten Sterblichkeit, seit es Pseud o-Kindbettfieber- Epidemien giebt, unter Gustav Braun, im Jahre 1854. sieben Jahre nach Entdeckung der Lehre, wie diese Pseudo-Kindbettfieber-Epide- mien abzuschaffen seien, ist das Unglück immer noch nicht abge­schlossen, welches die Unredlichkeit Carl Braun’s dadurch über die Wöchnerinnen der I. Klinik bringt, dass er gegen seine bessere Ueber- zeugung seinen Schülern gegenüber gegen meine Lehre spricht. Im Herbste des Jahres 1861, also im fünfzehnten Jahre nach Entdeckung der Lehre, wie die Pseudo-Kindbettfieber-Epidemien ab­zuschaffen seien, herrschte wieder an der I. Klinik eine Pseudo-Kind- bettfieber-Epidemie, welche die Wöchnerinnen in Aufsehen erregender Anzahl dahinraffte. Während ich in diesem Schuljahre, einen Todes­fall in Folge von Eclampsie abgerechnet und abgerechnet einige Wöch­nerinnen, welche an vierundzwanzig bis sechsunddreissig stündiger Gefässanregung litten, keine einzige am Kindbettfieber leidende Wöch­nerin hatte, folglich auch keine am Kindbettfieber verstorbene Wöch­nerin zu beklagen habe. Dazu kommt noch, dass die Schüler des Hofrath Oppolzer’s mit äusserst gefährlichen Irrthümern über das Kindbettfieber die I. Klinik betreten. In der ersten Nummer der Spitals-Zeitung 1862 lässt der Dr. R. Referent in einem Vorträge über Kindbettfieber den Hofrath Oppolzer folgendes sagen: „Das Wesentliche des Puerperalfiebers besteht in einer durch meist unbekannte Einflüsse bewirkten chemischen und mikroskopischen Veränderung des Blutes etc. etc.“ Es üben jetzt 1074 Schülerinnen von mir die geburtshilfliche Praxis als Hebammen in Ungarn aus; es wissen daher die Hebammen in den entlegensten Dörfern Ungarns, dass jeder Fall von Kindbettfieber durch die Re­sorption eines zersetzten thierisch-organischen Stoffes entstehe, welcher zersetzte thierisch-organische Stoff die chemische und mikroskopische Veränderung des Blutes bewirkt. Hofrath Oppolzer in Wien weiss das aber nicht. Sollte damit vielleicht Prof. Braun von der schweren Verantwortung, welche auf ihm lastet, befreit werden, so wird das Hofrath Oppolzer nicht gelingen. Solch ein scandalöser Ausspruch dient nur dazu, Hofrath Oppolzer zum Mitschuldigen an den Leichen­haufen zu machen, mit welchen die I. Gebär-Klinik die Todtenkammer des allgemeinen Krankenhauses so dicht bevölkert. Carl Braun sah sich veranlasst, einen Bericht über die herrschende Pseudo-Kindbettfieber-Epidemie an die Krankenhaus-Direction zu er­statten. In diesem Bericht heisst es:1) Während des Monats October 1861 standen 65 Puerperalfieberkranke in Behandlung, wovon 50 in der Zeit von 8 Tagen und zwar vom 22. bis Ende October erkrankten. Mit 1. November brachte Carl Braun meinen obersten Grundsatz der Verhütungslehre des Kindbettfiebers „bringt den Individuen keine zersetzten thierisch-organischen Stoffe von Aussen ein“, dadurch in Anwendung, dass er allen Studirenden jede Vaginalexploration unter­sagte, dass er alle Operationsübungscurse der geburtshilflichen Do- centen und Assistenten sistirte, dass er Desinfectionsmittel in An­b Oesterreichische Zeitschrift für practische Heilkunde Nr. 47. Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber.

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