Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

Die offenen Briefe an Professoren der Geburtshilfe. 461 Die Pseudo-Kindbettfieber-Epidemien des Jahres 1860 waren un­zweifelhaft Infectionsfälle von Aussen, welche nach Ausschliessung des Kindes, also in der Nachgeburtsperiode oder im Wochenbette hervorgerufen wurden, was die Abwesenheit von Wehen-Anomalien, das Nichteintreten von Blutflüssen in der Nachgeburtsperiode, und der Umstand beweiset, dass die Kinder der erkrankten Mütter ge­sund blieben. Stellen Herr Hofrath in diesen Bichtungen Untersuchungen an. vielleicht gelingt es Ihnen jetzt noch zu ermitteln, wie diese Infectionen erzeugt wurden. Zur Erklärung des guten Gesundheitszustandes der Wöchnerinnen des Würzburger Gebärhauses während der 6 Jahre können Herr Hof­rath Ihre Zuflucht nicht zu einem günstigen Genius epidemicus nehmen, weil Sie dann nicht nur nicht erklären könnten, warum denn dieser günstige Genius epidemicus im Prager Gebärhause zur Zeit, als Sie mehr geniale als gewissenhafte Experimente mit den Chlorwaschungen machten, nur einen Monat dauerte; Sie würden ausserdem auch noch in eine Collision mit Carl Braun geratlien, der doch eben eine so grosse Autorität, was das Kindbettfieber anbelangt, ist, wie Sie, Herr Hofrath. Carl Braun kann sich nun keinen Herbst denken, ohne eine Pseudo-Kindbettfieber-Epidemie, welche nun den ganzen Winter hin­durch mordet, bis im Frühjahre die wärmere Jahreszeit dem Morden ein Ende macht. Der Winter ist nach Carl Braun die Zeit der Epi­demien und der Sommer die Zeit des besseren Gesundheitszustandes. Dass mit dem Herbste, das heisst im Oktober, die Schulen wieder beginnen, und die Schüler sich im Winter mit Dingen beschäftigen, welche ihre Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen, und dass diese Beschäftigungen mit Beginn der warmen Jahreszeit seltener werden, und dass mit Beginn der warmen Jahreszeit die Schüler lieber in die reizenden Umgebungen Wiens als in die Todtenkammern und in das Gebärhaus gehen, kommt natürlich beim Kindbettfieber nicht in Betracht. Sie können sich, Herr Hofrath, auch deshalb nicht auf einen günstigen Genius epidemicus berufen, weil während der Jahre des günstigen Gesundheitszustandes der Wöchnerinnen im Würzburger Gebärhause, der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen in vielen euro­päischen Gebärhäusern ein schlechter war. Was hat das Würzburger Gebärhaus vor dem ungünstigen Genius epidemicus geschützt, welcher im Jahre 1854 an der I. Klinik zu Wien allein 400 Wöchnerinnen getödtet? Es wird Ihnen ja bekannt sein, Herr Hofrath, dass die atmo­sphärischen Einflüsse, welche den günstigen und ungünstigen Genius epidemicus darstellen, über den ganzen Continent verbreitet sind, und Würzburg liegt ja auch auf dem Continent. Herr Hofrath haben 13 Jahre Becht behalten, weil ich 13 Jahre geschwiegen; jetzt habe ich das Schweigen aufgegeben, und jetzt be­halte ich Becht, und zwar für so lange, als das menschliche Weib gebären wird. Ihnen, Herr Hofrath, bleibt nichts anderes übrig, wenn Sie von Ihrem Ansehen noch retten wollen, Was noch zu retten ist, als sich meiner Lehre anzuschliessen. Sollten Sie bei der Lehre des epidemischen Kindbettfiebers verbleiben, so werden mit fortschrei

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