Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

wir weitläufig- nachgewiesen, vorläufig glauben wir nicht, dass unsere Prophylaxis des Kindbettfiebers desshalb mangelhaft sei, weil wir die Ehe nicht als Schutzmittel gegen Puerperalfieber empfohlen. Wenn Carl Braun die scandinavischen Gebärhäuser anführt, um zu zeigen, dass trotz des ausgedehntesten Gebrauches des Chlors dennoch Puerperalfieber-Epidemien ausbrechen konnten, so beweiset das nichts gegen meine Lehre, es beweiset nur, dass es für die Gebär­häuser insolange kein Heil geben wird, insolange die Intoleranz eines einzigen Schülers die trefflichsten Anordnungen erfolglos machen kann. Wir deuten wieder auf das von uns erbetene Gesetz. Von Siebold’s Klinik in Göttingen wird gesagt, dass sich in drei Jahren, 1850—1852, 349 Geburten ereigneten, davon starben 6, mit­hin 2,6°/0. Bekanntlich wird hier eine grosse Anzahl von Studirenden unterrichtet. 349 Geburten auf 3 Jahre vertheilt, gibt jeden dritten Tag eine Geburt; es trifft sich in Göttingen wahrscheinlich, dass die grosse Anzahl von Studirenden an Tagen, wo selbe eine Geburt haben, keinen Cadaver haben, und umgekehrt. Kiwisch hat zwar von 102 Wöchnerinnen 27 am Kindbettfieber verloren, aber Kiwisch’s geburts­hilfliche Klinik war in Verbindung mit einer gynäkologischen Ab­theilung 6 Todte von 349 Wöchnerinnen gibt mindestens 4 verhütbare Infectionsfälle von aussen. Vom Wiener Gebärhause gibt Carl Braun folgende Beschreibung: „Das Gebärhaus liegt im grossen allgemeinen Krankenhause und zer­fällt in 3 Abtheilungen: in die Klinik für Aerzte, für Hebammen und in die Abtheilung der heimlich Gebärenden. Die Abtheilung zum Unterricht für Aerzte nahm bis zum Jahre 1850 acht Säle im ersten und zweiten Stockwerke mit einem Beleg- raume von ungefähr 200 Betten ein, die der Art angebracht waren, dass 3 Säle des Krankenhauses, die mit typhösen und anderen inneren Krankheiten Behafteten belegt waren, ober den Wochenzimmern sich befanden, und an drei anderen Orten die Krankensäle von den übrigen Wochenzimmern blos durch eine Thür getrennt waren. Jede Wöchnerin hatte drei Stunden nach einer regelmässigen Geburt einen 50 bis 100 Schritt weiten Weg durch ein oder mehrere Wochenzimmer zu Fuss bis zu dem ihr bestimmten Bette zu wandern, wobei sie einen zur Haupttreppe führenden, mit Glas verschlossenen Gang zu passiren hatte, der im Winter zwar geheizt wird, aber nie die regelmässige Temperatur der Wochenzimmer erhält. Ein Wochen­zimmer reiht sich (durch eine kleine Küche oder zwei kleine Zimmerchen nur getrennt) an das andere an, ohne dass ein Corridor angebracht ist. daher durch das Oeffnen der Tliiire eine zufällige Ventilation nicht eintreten kann. Die Säle sind geräumig, die Betten stehen in einer ähnlichen Entfernung wie in den übrigen Kliniken. Die Beheizung geschieht mit den Meissner’schen Mantelöfen, durch welche die kalte, zwischen Ofen und Mantel einströmende Luft erwärmt wird, eine Klafter hoch ober dem Fussboden in den Saal eintritt, während die Zimmerluft durch eine am Fussboden neben dem Ofen einen Quadratfuss weite (auch verschliessbare) Oeffnung entweichen soll. Diese Ventilation ist im Sommer nicht zu benützen und im Winter nicht hinreichend, da während einer mehrstündigen Heizung und Ventilirung der Puerperalgeruch nicht entfernt werden kann. Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber.

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