Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

404 Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber. keit war an der I. Klinik mehr als dreimal so gross als an der II. Klinik. In den letzten 12 Jahren von 1847 bis 1859 schwankte die Grösse der absoluten und relativen Sterblichkeit zwischen beiden Kliniken, und die durchschnittliche Sterblichkeit war an beiden Kliniken bei­nahe gleich. Die Dienstzeit Carl Braun’s, während welcher er die ungünstigen Umstände der I. Klinik kennen lernte, und welchen er, und nicht der cadaverösen Infection das Plus der Sterblichkeit an der I. Klinik zu­schreibt, fällt in die Jahre 1849, 1850, 1851, 1852 und 1853, also in eine Zeit, wo die absolute und die relative Sterblichkeit zwischen beiden Abtheilungen schwankte, wo die durchschnittliche Sterblichkeit der beiden Abtbeilungen fast gleich war; wenn daher diese ungünstigen Umstände während der fünfjährigen Dienstzeit Carl Braun’s nicht nur keine constant grössere Sterblichkeit an der I. Klinik hervorbringen konnten, wenn sogar trotz dieser ungünstigen Umstände sogar die absolute Sterblichkeit an der II. Klinik im Jahre 1851 mit 46, im Jahre 1852 mit 11 Todten grösser sein konnte als an der I. Klinik, so ist mit mathematischer Gewissheit bewiesen, dass diese ungünstigen Umstände die dreimal grössere Sterblichkeit der 6 Jahre, nämlich vom Jahre 1841 bis 1847, auch nicht hervorgebracht haben. Wir könnten uns daher die Mühe ersparen, in eine Widerlegung dieser ungünstigen Umstände einzugehen; aber wir würden uns dadurch eine Gelegenheit entgehen lassen, dem Leser zu zeigen, mit welch’ ungeheuerem Leichtsinne Carl Braun in der Opposition gegen meine Lehre vorgegangen. Carl Braun sagt: Die Klinik für Aerzte weiset aus: lethale Puerperalprocesse, Eclampsie, Pneumonie, Meningitis, Apoplexie etc., dieselben Krankheiten weiset auch die II. Klinik aus. Dass unbedingt alle Ankömmlinge, auch die aus dem Kranken­hause entlassenen siechen Schwangeren, auf der I. Klinik aufgenommen werden müssen. Wenn die Aufnahme an der II. Klinik stattfindet, werden auch auf der II. Klinik unbedingt alle Ankömmlinge, und auch die aus dem Krankenhause entlassenen siechen Schwangeren aufgenommen. Dass die Zahl der Aufnahmstage um 52 bis 70 jähr­lich höher ist an der I. Klinik als an der II. Klinik. Die I. Klinik hat gesetzlich wöchentlich einen Aufnahmstag, folglich jährlich 52 Aufnahmstage mehr; ich frage, welche Klinik war mehr überfüllt, die II. Klinik, welche, obwohl selbe 52 Aufnahms­tage weniger hatte, dennoch 18 mal die Aufnahme nicht übernehmen konnte? oder die I. Klinik, welche trotz der 52 Aufnahmstage mehr, dennoch 18 mal die Aufnahme behalten konnte, weil die II. Klinik wegen Ueberfüllung die Aufnahme nicht übernehmen konnte. Werden alle verunglückten Geburtsfälle der Residenz und Um­gebung den Gratisabtheilungen zugeschoben? Das bedingt dann wenigstens keinen Unterschied in der Sterblichkeit der beiden Gratis­abtheilungen. Zur Ehrenrettung der beiden Gratisabtheilungen als Unterrichtsanstalten theile ich dem Leser mit, dass während meines fünfjährigen Aufenthaltes an der I. Klinik dieser nur ein verun­glückter Geburtsfall, nämlich eine vernachlässigte Querlage, zuge­schoben wurde. Transferirungen von Puerperalfieberkranken finden in der Regel an beiden Abtheilungen nicht statt.

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