Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

Orten und in fremden Gebärhäusern macht man häufig dieselbe Be­obachtung.“ Dass die Jahreszeiten keinen Einfluss haben auf die Entstehung des Kindbettfiebers, das beweisen Tabelle Nr. II, Seite 104 und Tabelle Nr. XIX, Seite 171. Aus dieser Tabelle ersieht der Leser, dass in jedem Monate des Jahres eine kleine, und in jedem Monate des Jahres eine grosse Sterblichkeit vorgekommen sei. Wenn Carl Braun sagt, dass in Wien der Wintersemester niemals so günstige Resultate wie der Sommersemester ausweise, so zeugt das von dem ungeheuren Leichtsinn, mit welchem C. Braun ins Blaue hineinschreibt; eine Einsicht in die Monatsrapporte des Wiener Gebärhauses würde ihm gezeigt haben, dass allerdings in den Winter- monaten häufiger ein schlechter Gesundheitszustand der Wöchnerinnen und seltener ein guter, in den Sommermonaten aber häufiger ein guter und seltener ein schlechter Gesundheitszustand der Wöchnerinnen zu beobachten war. Aber der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen war manchmal in Wintermonaten ein ausgezeichnet guter, und manchmal in den Sommermonaten ein sehr schlechter, wie die Tabellen Nr. XLIV, Seite 240, und Nr. XLY, Seite 241 beweisen. Warum in den Wintermonaten häufiger ein schlechter und seltener ein guter, in den Sommermonaten häufiger ein guter und seltener ein schlechter Gesundheitszustand der Wöchnerinnen zu beobachten war, darüber wolle der Leser Seite 170 nachlesen. Auch das Argument, welches wir zur Begründung unserer Ansicht von den Jahreszeiten genommen, hat Carl Braun nicht erschüttert. f) Bei sogenannten Gassengeburten kommt das Puerperalfieber seltener vor. Ad f) „Die in Wien sogenannten Gassengeburten erkranken nicht häufiger an Puerperalfieber als diejenigen, welche Monate lang vor der Entbindung im Gebärhause zubringen. Zur Aufklärung darüber dürfte es aber dienen, dass zu dieser Kategorie Personen gezählt werden, die entweder wirklich auf der Strasse von Wehen überrascht werden, und meistens Frühgeburten erleiden, worauf ohnedies auch bei den im Gebärhaus Verpflegten viel seltener Puerperalprocesse zu folgen pflegen, oder solche, die unter besseren Vermögensumständen sich befinden, in den geheimen Cabineten bei Hebammen ausserhalb des Gebärhauses gebären, hierauf sich mittelst einer Calesche oder Tragbahre in die Gratisabtheilung überbringen lassen, um eine unent­geltliche Aufnahme und lebenslängliche Verpflegung ihres Kindes im k. k. Findelhause mit Geheimhaltung ihres Zustandes zu Amranlassen, und um der Verwendung zum Unterrichte sich dadurch - gleichzeitig zu entziehen. Die Zahl der letzteren ist die höhere, übersteigt monat­lich an beiden Kliniken nicht selten die Zahl von hundert.“ Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Der Leser erinnert sich, dass es uns nicht gestattet wurde, nachträglich die Protocolle zu excerpiren, um durch Zahlen zu beweisen, dass die Gassengeburten auffallend seltener erkrankten als diejenigen, welche bei uns geboren. Carl Braun, welcher nahezu fünf Jahre Assistent war, hatte Gelegen­heit gehabt, diese Zahlen zu erheben, er hat es nicht gethan und begnügt sich zu sagen, die Gassengeburten erkrankten nicht häufiger als diejenigen, welche Monate lang vor der Entbindung im Gebär­hause zubrachten; die Gassengeburten erleiden meistens Frühgeburten, worauf ohnediess auch bei den im Gebärhause erpttegten viel seltener 26 Semmelweis’ gesammelte Werke. Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers.

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