Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

eingeführt und auf das strengste überwacht wurden; wie strenge diese Ueberwachung war, geht daraus hervor, dass die Sterblichkeit, welche an der I. Klinik in Folge der Chlorwaschungen von 9,9,% in den 12 Jahren nach Einführung der Chlorwaschungen auf 3,57°/0' sank, an der II. Klinik in demselben Zeiträume von 3,35°/0 nur auf 3,06% sich minderte. Der wohlerfahrene Assistent, welcher die Chlor­waschungen an der II. Klinik auf das strengste überwachte, und dennoch eine Sterblichkeit im Jänner 1852 von 10°/o und im März 1852 von 12°/0 hatte, war Dr. Spaeth, gegenwärtig Professor der Ge­burtshilfe an der k. k. Josephs-Akademie in Wien. Ich nenne hier Dr. Spaeth’s Name nicht desshalb, um ihn dadurch zu verunglimpfen, dass ich seinen Namen mit einer grossen Sterblichkeit in Verbindung bringe, sondern desshalb, weil mir der Leser das, was ich von wohl- erfahrenen Assistenten sagen werde, glauben müsste, während er sich überzeugen kann von dem, was ich von Dr. Spaeth erzähle. Wer mit der geburtshilflichen Literatur vertraut ist, wird wissen, dass Dr. Spaeth Arbeiten gemacht, bei welchen er sich seine Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen musste; als Gegner meiner Lehre setzte ich Zweifel in die strenge Beaufsichtigung und strenge eigene Beobachtung der Chlorwaschungen, dadurch ist die Möglichkeit von Infectionen gegeben, und was wir nur als möglich nachgewiesen, das erzählt uns Chiari als wirklich geschehen. Nachdem Chiari erzählt, wie zweimal in der Prager Gebärklinik für Aerzte dadurch Puerperal- Epidemien ausgebrochen seien, dass die Genitalien zweier Kreissender gangraenös wurden, sagt er: „Und auch an der hiesigen Klinik für Hebammen wurde in diesem Herbste eine ähnliche Beobachtung ge­macht, wie mir mein Freund Dr. Spaeth vertraulich mittheilte.“ (Seite 150, Zeile 9.) Wenn C. Braun sagt, dass an der Hebammenschule nicht leicht eine Leicheninfection möglich sei, so hat ihn Dr. Zipfel schon längst gründlich widerlegt. C. Braun sagt, diese Thatsachen, nämlich die 7% der I. Klinik und die 12% der II. Klinik trotz Chlorwaschungen, mussten die Hypothese der cadaverösen Infection vollends erschüttern und ihn ermahnen, sich noch nach anderen aetiologischen Momenten umzu­sehen. C Braun hat sich umgesehen und noch 29 aetiologische Mo­mente des Kindbettfiebers gefunden. Wir werden später Gelegenheit haben nachzuweisen, dass die Mehrzahl dieser Momente gar keine aetiologischen Momente des Kindbettflebers sind, und die, welche wirklich aetiologische Momente des Kindbettfiebers sind, sind es nur dadurch, dass durch selbe entweder ein zersetzter Stoff im ergriffenen Individuum entsteht, oder dadurch, dass durch selbe ein zersetzter Stoff den Individuen von aussen eingebracht wird. Diese Thatsachen haben bei mir die Hypothese der cadaverösen Infection nicht erschüttert, im Gegentheil. diese Thatsachen haben die Hypothese der cadaverösen Infection bekräftigt, denn es spricht für die Wahrheit der cadaverösen Infection, wenn Gegner der cadaverösen Infection eine grössere Sterblichkeit haben, als der Erdichter der cadaverösen Infection, denn die Gegner beaufsichtigen die f hlor- waschungen nicht so gewissenhaft, als der Erdichter der cadateiösen Infection. C. Braun macht es mir zum Vorwurfe, dass ich mich meistens auf die Vergangenheit stütze, und daraus sehr kühne Schlüsse ziehe. Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers.

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