Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

1846-1850. Assistent in Wien. Entdeckung der Ursachen des Kindbettfeiebers. Erfolge und Verfolgungen. Dozent. Abreisen von Wien

31 Tilanus war also Epidemiker und Kontagionist. Er kannte die Gefährlichkeit des Leichenkontagiums und untersagte deshalb Sektionen, ließ auch Chlorwaschungen vornehmen. Seine theoretische Auffassung war ein unlogisches Gemenge teils englischer, teils kontinentaler An­schauungen, nichtsdestoweniger war sein praktischer Standpunkt, dank dem englischen Einfluß, dem der deutschen und französischen Geburts­helfer weit überlegen. Die dritte Antwort*) kam von Professor Michaelis in Kiel, dem Verfasser des Meisterwerkes „Das schräg verengte Becken”. Dieser schrieb an Dr. Schwarz: „Ihr Brief vom 21. Dezember 1847 hat mein höchstes Interesse erregt. Ich war wieder in der größten Not. Unsere Anstalt war infolge des Puer­peralfiebers vom 1. Juli bis 1. November geschlossen. Die drei zuerst wieder Aufgenommenen erkrankten, eine starb und zwei wurden nur eben gerettet. Wir wollten also die Anstalt schon wieder schließen. Indessen besserte sich der Gesundheitszustand wieder; zwei neu Erkrankte wurden leicht geheilt, nur eine starb noch im Eebruar. Seitdem sind alle gesund. Ihre Mitteilungen gaben mir zuerst wieder einigen Mut; der Beweis der Wirksamkeit der Chlor­waschungen, so weit er in Wien geführt ist, ist schon aus der großen An­zahl von Bedeutung. Ich führte sie sogleich in der Anstalt ein, und niemand, weder Kandidaten noch Hebammen, dürfen seitdem untersuchen, ohne daß sie sich mit Chlor gewaschen haben. Auch gebraucht es schon eine Hebamme in der Stadt, die mehrere Frauen entband, die später am Puerperalfieber litten. Nach Kopenhagen habe ich Abschrift Ihres Briefes geschickt. Aus eigener Erfahrung, die so gering ist, dem großen Wiener Experiment gegen­über sprechen zu wollen, würde anmaßend sein. Dennoch kann ich es nicht unterlassen, Ihnen einiges mitzuteilen, dessen Zusammenhang man in kleinerer Weise gerade leichter übersehen kann. Seit vorigem Sommer, wo meine Cousine am Puerperalfieber starb, die ich nach der Geburt untersuchte, zu einer Zeit, wo ich Puerperalkranke touchiert und Leichen seziert hatte, war ich überzeugt von der Übertragung. Es fiel mir dann noch ein, daß schon einige Monate früher eine Erau in der Stadt, zu der mich Dr. Ere und gerufen, ebenfalls am Puerperalfieber ge­storben war. Ich verweigerte daher meinen Beistand bei der Geburt 4 Wochen lang. Eine Gebärende, der ich helfen sollte, mußte deshalb einen anderen Arzt rufen; es war Prolapsus funiculi umbilicalis; er reponierte. Der Arzt sezierte viel, anatomisierte täglich; die Entbundene erkrankte am Puer­peralfieber, wurde gerettet, aber hat eine Exsudatmasse am Uterus. Die Hebamme, welche hier Beistand leistete, hat wenigstens noch zwei, vielleicht drei Fälle von Puerperalfieber in der Stadt gehabt. Soviel von der Fort­pflanzung des Eiebers. Was die Sicherung durch Chlorwaschungen anbelangt, die ich als sehr kräftig empfehlen kann, da die Hände den Geruch tagelang, ungeachtet wiederholten Waschens, bewahren, was bei Chlorwasser nicht der Fall ist: seit Einführung dieser Wfischungen ist mir bei keiner von mir oder meinen Eleven Entbundenen auch der gelindeste Grad des Fiebers wieder vor­gekommen, jenen einen Fall im Februar ausgenommen, bei dem indes, wie *) Ätiologie, p. 286.

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