Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

1846-1850. Assistent in Wien. Entdeckung der Ursachen des Kindbettfeiebers. Erfolge und Verfolgungen. Dozent. Abreisen von Wien

23 Im Oktober und November 1847 waren Kußmaul und Bronner Zeugen zweier neuer wichtiger Entdeckungen, welche Semmelweis auf seiner Klinik machte. Im Oktober wurde eine an verjauchendem Medullarkrebs des Uterushalses leidende Kreißende auf Bett Nr. 1 des Kreißzimmers aufgenommen, bei welchem Bette die Visite immer be­gonnen wurde. Nach der Untersuchung dieses armen Weibes wuschen Semmelweis und die Schüler sich die Hände mit Wasser und Seife, wie das nach jeder Untersuchung vorgeschrieben war, und unter­suchten die übrigen Kreißenden. In den folgenden Tagen erkrankten sämtliche 12 Wöchnerinnen, die mit ihr gleichzeitig entbunden worden waren, und 11 davon starben. Für Semmelweis war dieses Unglück die Quelle einer neuen Erkenntnis: Nicht bloß die an der Hand klebenden Kadaverteile, auch Jauche, von lebenden Organismen her­rührend, erzeugt das Kindbettfieber! Es müssen daher die Hände auch nach jeder Verunreinigung mit Jauche in Chlorwasser gewaschen werden, um die Jauche zu zerstören. Im November dieses Jahres wurde eine Müllersmagd vom Lande mit verjauchender Caries des linken Kniegelenkes auf das Wochen­zimmer gebracht. Abermals kam es zu einer kleinen Endemie, welche sich auf diejenigen Entbundenen beschränkte, die mit der Müllersmagd gleichzeitig im Wochenzimmer lagen. Letztere war in ihren Genitalien vollkommen gesund; der Finger, der sie untersucht hatte, konnte da­her nicht andere infizieren. Semmelweis schloß daraus, daß die jauchigen Exhalationen des cariösen Kniegelenkes die Luft des Wochenzimmers im hohen Grade schwängerten und daß diese verpestete Luft den Wöchnerinnen durch die nach der Geburt klaffenden Genitalien in die Gebärmutterhöhle drang, woselbst die Jaucheteile resorbiert und da­durch das Kindbettfieber hervorgerufen wurde. Der Träger der Kadaver- und Jaucheteile konnte also der untersuchende Finger, aber auch die atmosphärische Luft sein. Hebra erschien die Sache nun spruchreif. Er war gleich Skoda empört über Professor Klein’s ebenso kurzsichtiges wie gehässiges Verhalten, sein bescheidener Freund Naz (Ignaz) tat ihm leid. Er be­schloß, ihm eine kleine Freude zu bereiten, ihm trotz Klein Aner­kennung zu verschaffen. Und so überraschte er ihn denn vor Weih­nachten mit folgendem Artikel im Dezemberheft 1847 der von ihm redigierten Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Ärzte zu Wien: Höchst wichtige Erfahrungen über die Ätiologie der in Gebäranstalten epidemischen Puerperalfieber. Die Redaktion dieser Zeitschrift fühlt sich verpflichtet, die fol­genden, von Herrn Dr. lg. Semmelweis, Assistenten an der ersten geburtshilflichen Klinik des hiesigen k. k. Allgemeinen Krankenhauses, gemachten Erfahrungen in Hinsicht der Ätiologie der beinahe in allen

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