Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

IV lesungen seinen Namen kaum zu hören bekommen hatten, und die medizinische Literatur Österreichs keine Schrift aufweist, welche sich mit seinem Leben und Schaffen befaßt. Und so erinnert denn auch heute in Wien nichts, rein gar nichts, weder eine Straße oder ein Platz, noch eine Gedenktafel oder ein Denkmal daran, daß im Jahre 1817 Semmel­weis als junger Arzt des Allgemeinen Krankenhauses eine Entdeckung gemacht, durch welche der ganzen Menschheit Heil widerfahren ist! Diesem empörenden Unrecht, das Wien und Österreich zur Schande gereicht, ein Ende zu bereiten, beschloß ich, in Form einer ausführ­lichen Biographie dem Manne ein literarisches Denkmal zu setzen, welches die ganze Größe seiner Taten der Nachwelt kündet. Es war eine dankbare Aufgabe, die ich mir damit gestellt, denn gar Manches in Semmelweis’ interessantem Lebenslaufe harrte noch der Aufklärung, und speziell über seinen Aufenthalt in Wien war bisher nichts Näheres bekannt geworden. Da bot sich mir als Wiener eine günstige Gelegenheit, in den hiesigen Archiven und Bibliotheken Nachforschungen anzustellen und auch persönliche Erinnerungen zu sammeln. Noch waren ja einige von denen am Leben, welche in Semmelweis’ Dasein eine Rolle gespielt. Durch die Zeitung war mir bekannt geworden, daß in Budapest seine Witwe, Frau Maria Szemerenyi, lebe. Ihre Mitteilungen schienen mir vor allem wichtig. Auf eine briefliche Anfrage erhielt ich sofort eine freudig zustimmende Antwort und in der Folgezeit in einer Reihe von Briefen ausführliche Berichte über Semmelweis’ Leben, auf ver­schiedene Fragen vielfach wertvolle Auskunft, und schließlich zur Ver­vielfältigung Semmelweis’ Unterschrift sowie ein Aquarell, welches ihn im Alter von 39 Jahren, auf der Höhe seines Schaffens, zeigt. Einige höchst wichtige Angaben machte meine Tante, Frau Hofrat Johanna v. Hebra, die nun achtzigjährige Witwe Ferdinand Hebra’s, welche mich unter anderem auch auf den gleichfalls hochbetagten, in Wien lebenden Hofrat Dr. Franz Hektor v. Arneth aufmerksam machte. Dieser, das Muster eines hochgebildeten vornehmen Arztes des alten Wien und von einer seltenen Frische des Geistes, hatte die Güte, mir einen Separatabdruck der Verhandlungen der Petersburger kaiserlichen Ge­sellschaft der Ärzte vom Jahre 1861 zu überlassen, und zeigte meinem überraschten Blicke eine zweite Semmelweis-Biographie von Sanitäts­rat Dr. Bruck, 1887 bei Prochaska erschienen, deren in keinem der gebräuchlichen Bücherkataloge Erwähnung getan ist. Bruck’s Werk- chen erwies sich als eine glückliche Ergänzung meiner eigenen Arbeit, indem dieser hauptsächlich über Semmelweis’ Tätigkeit in Ungarn, seine Mitarbeiterschaft am „Orvosi hetilap”, seine Vorträge in der Budapestéi’ königlichen Gesellschaft dér Ärzte u. dgl.neue Mitteilungen machte. Manche irrige Auffassungen, namentlich über Semmelweis’ Verhältnis zu Wien, falsche Daten, zahlreiche Lücken und eine nicht besonders übersichtliche

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