Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

Das Urteil der Nachwelt

228 peralfieber”, das vollständig neu bearbeitet wurde, eine ausführliche, sachliche Beweisführung für die Richtigkeit der Infektionstheorie brachte, wobei Semmelweis’ Beobachtungen bei jeder Gelegenheit an erster Stelle genannt werden. „Diese Deutung” — daß nämlich nach Semmelweis’ Lehre das Kind­bettfieber ein Resorptionsfieber sei, hervorgerufen durch Infektion mit zer­setzten tierischen Stoffen — „ist in den letzten Jahren in immer größere Kreise eingedrungen und wird in kurzer Zeit kaum noch Gegner finden. Die Beweise für ihre Richtigkeit und gegen die Haltbarkeit der miasmatischen Genesis stellen wir in den folgenden Paragraphen zusammen.” § 345 enthält den Nachweis, daß die Krankheit von tellurischen und atmosphärischen Verhältnissen unab­hängig ist; § 346, daß die verschiedenen pathologischen Prozesse beim Puer­peralfieber sich ausreichend durch die Annahme einer septischen Infektion erklären; § 347, daß die Inokulation septischer Stoffe bei Kreißenden und Wöchnerinnen spoi-adisches wie epidemisches Puerperalfieber erzeugt; § 348, daß das Puerperalfieber nicht eine ausschließlich bei Wöchnerinnen vorkom­mende Ki*ankheit ist; § 349, daß bei den kreißend Aufgenommenen die Krank­heit viel seltener auftritt als bei Schwangeren, die kui'z vor ihrer Entbindung die Anstalt beti*eten; § 350, daß Erstgebärende sehr häufig erkranken, ebenso solche, welche schon zehnmal oder öfters geholfen haben; § 351, daß die Inkubationszeit 24 bis 48 Stunden beti'ägt und daß auch die Neugeborenen an Puerperalfieber ei'kranken können; § 352, 353, 354, 355, daß das vor wiegende Vorkommen des Puerperalfiebers in Gebäranstalten, die Differenzen der verschiedenen Hospitäler untereinander und die Eluktuationen in einem und demselben Hause zu verschiedenen Zeiten sich nur durch die Infektions- theoi’ie vollständig erklären lassen; § 356, daß bei ungünstigem Gesundheits­zustände der Wöchnerinnen einer Anstalt eine Überfüllung derselben die Sterblichkeit in auffallender W’eise vermindert,” Von besonderem Interesse ist, in welcher Weise Veit zu den Äußerungen von Spaeth und Braun Stellung nimmt: „Nach dem Abgänge S.’s aus der Assistentenstelle wirkte, wenn auch nicht die Überzeugung von der Richtigkeit der von S. bezeichneten Ätiologie, so doch das Vorhandensein dieser Ansicht nach. Die Sterblichkeit in der ersten Klinik beschränkte sich 1849 auf 2°/o> 1850 auf 1T% und 1851 auf 1 • 1 °/0, in der zweiten auf respektive 2'1 °/0 und 3%. Als hierauf der Schein dafür sprach, daß man die Ansicht S.’s i*uhig ad acta legen könne, stieg die Sterblichkeit wieder in beiden Kliniken. In den letzten Jahren hat sie abermals beträchtlich ab genommen. C. Braun sucht die Ursache dieser Abnahme in der Verbesserung der Ventilation, in der Einführung des Bohm­schen Heizungs- und Ventilationssystems. Wir können aber dieser Einrichtung nicht die behauptete Tragweite beimessen. In der zweiten Klinik ist der Bohm­sche Apparat nur in beschränktem Umfange eingeführt worden; wir suchen daher den Grund für die kolossale Verringerung der Mortalität in dieser Abtei­lung — 1863 starben hier nur 0*5% — vielmehr vorzugsweise in den mit großer Sorgfalt durchgeführten Bemühungen Spaeth’s, lokale Infektionen zu ver­hüten .............Erwägen wir endlich . . . . , daß Mayerhofer, der Assistent d er ersten Klinik, nicht mehr wie früher, das Medium für die Inokulation der Vibrionen in der Luft sucht, sondern inzwischen zu der Überzeugung gelangt ist, daß der untersuchende Finger gewöhnlich den Träger der 'S ibii- onen bildet, so liegt uns eine Deutung, welche auch in der ersten Klinik nicht bloß mit der Vei’besserung der Ventilation rechnet, ungleich näher."

Next

/
Oldalképek
Tartalom