Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

1850-1855. Geburtshelfer, Primararzt in Pest. Untätigkeit. Heiteres Leben. Anwachsen der gegnerischen Stimmen

113 Impffähigkeit einer trockenen Kuhpockenlymphe zu zerstören. Wir müssen daher aus dieser langsam zerstörenden Wirkung des reinen Chlorgases uns die Lehre entnehmen, daß wir nach Beschäftigungen und Verunreinigungen mit impfbaren, krankhaften oder kadaverösen Stoffen auch so lange keine Untersuchung von Frauen wagen dürfen, so lange der Chlorgeruch selbst noch an den explorierenden Händen haftet. — — — Rasche Strömungen warmer Luft, wie sie nur durch eine technisch präzise ausgeführte Ventilation erreichbar ist, gehören in den mit Wöchnerinnen belegten Zimmern zu den vorzüglichsten Schutzmitteln gegen Puerperal­fieberepidemien. ” Semmelweis war es eine schmerzliche Überraschung, daß Chiari nicht dagegen protestierte, von Braun zu seinen Gegnern gerechnet zu werden. Es scheint ihm nicht bekannt geworden zu sein, daß Chiari, der im Jahre 1854 die Prager Professur aufgegeben und da­für die geburtshilfliche Abteilung am Josephinum in Wien übernommen hatte, zu Anfang des Jahres 1855 an Cholera*) starb, somit Brauns Arbeit nicht kannte oder, wenn er sie doch noch vor seinem frühen Tode gelesen, zu einer Berichtigung nicht mehr Gelegenheit hatte. Die beste Antwort war übrigens der folgende Aufsatz, welchen Chiari jedenfalls ohne Kenntnis der Abhandlung Braun’s geschrieben hatte und der nach seinem Tode im Wochenblatte der Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Ärzte zu Wien (I. Jahrgang, Nr. 8) am 19. Fe­bruar 1855**) erschien: „ Winke zur Vorbeugung der Puerperalepidemie. Von weiland Professor Chiari. Ich erlaube mir hier die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand zu lenken, der, wenn auch vielfach besprochen, dennoch vieler Aufklärungen be­darf. Es ist dies die Entstehung und Vorbeugung der sogenannten Puerperal­epidemien, ich sage sogenannten, da es konstatiert ist, daß derlei Erkrankungen nicht etwa zahlreicher gleichzeitig über einen großen Distrikt verbreitet Vor­kommen, sondern bekanntermaßen meist nur an Entbindungsanstalten, und auch da nicht gleichmäßig an den verschiedenen Abteilungen derselben auf- treten. Ich will hier nicht auf die verschiedenen Ansichten über die Ent­stehungsursache dieser wirklich furchtbaren Krankheit zurückkommen, er­laube mir aber nur einige Beobachtungen über die Veranlassung zu zahlreichen Erkrankungen von Wöchnerinnen zu geben, die ich während meiner Amts­wirksamkeit in Prag machte. Vom 23. bis 27. Januar 1853 wurde bei einer Erstgebärenden eine den eben bestimmten Zeitraum anhaltende Verzögerung der Geburt durch Ver­dickung des Muttermundes und nachträgliche Gangräneszenz noch während der Geburt beobachtet. Nachdem vergebens Bäder, Einspritzungen, Antiphlo- gose, Inzisionen des knorpelharten und fingerdick gewulsteten Muttermundes angewendet worden waren, schritt man zur Verkleinerung des bereits durch den längeren Geburtsakt abgestorbenen Kindes, um die Geburt nach vier­tägiger Dauer zu vollenden. Die Absonderung aus der Scheide war in den letzten Tagen bräunlich, mißfärbig, höchst übelriechend. Die Wöchnerin er­*) Mitteilung des Hofr. Dr. v. Arneth. **) Ätiologie, p. 148. v. \V|a 1 dh e i m, Ignaz Philipp Semmelweis. 5

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