Inventare Teil 9. Inventar des Verkehrsarchivs in Wien (1959)

Die Bestände des Verkehrsarchivs: - A. Selekte und Gesamtregistraturen von Hofstellen und Ministerien

13 Anton Ritter von Gerstner um die Verleihung eines Privilegiums zur Er­bauung „einer Holz- und Eisenbahn“ zwischen der Donau und der Moldau. Obwohl sich in dem Begleitschreiben der Oberstburggraf von Böhmen, Graf Cholowrat, an den Obersten Kanzler, Franz Grafen von Sarau, für einen Bau durch den Staat aussprach, waren sich jedoch Hofkanzlei und Hofkammer darin einig, wegen des Risikos und wegen der Neuheit der Sache diesen Bau der privaten Initiative zu überlassen. Gerstner erhielt auf Grund des Hof­kammerdekretes vom 22. I. 1810, betreffend das Privilegienwesen, am 7. IX. 1824 ein 50-jähriges Privilegium mit außerordentlichen, weitgehenden Begünstigungen, die ein Eingreifen des Staates in den Bau und in den Betrieb des Unternehmens weitgehend ausschlossen. (Diese Akten sind die ältesten des Verkehrsarchivs.) Weitere Privilegien von der Vereinigten Hofkanzlei wurden noch in ähnlicher Weise für zwei Pferdeeisenbahnen (Prag—Lana und Linz—Gmunden) sowie an Salomon Freiherrn von Rothschild für die Kaiser Ferdinands-Nordbahn erteilt (4. III. 1836). Allmählich machte sich jedoch ein stärkeres Eingreifen der Vereinigten Hofkanzlei in Eisenbahn­angelegenheiten bemerkbar. Am Ende der Pferdeeisenbahnperiode sind bereits die ersten Bestimmungen über Grundeinlösung und Steuerpflicht von Eisenbahngesellschaften erlassen worden. Entscheidend für die Aus­bildung einer speziellen Eisenbahnhoheit des Staates waren jedoch die kommissionellen Beratungen im Laufe des Jahres 1837 unter dem Vorsitze des Obersten Kanzlers, Anton Friedrich Grafen Mittrowsky, und unter Heranziehung von Vertretern der Hofkammer und des Hofkriegsrates, die zur Erlassung des Kabinettsschreibens vom 25. XI. 1837 führten. In diesem Schreiben war zunächst nur die theoretische Feststellung des staatlichen Vorbehaltes auf das Recht des Baues und des Betriebes von Eisenbahnen enthalten. Mit der Erlassung der sogenannten „Konzessionsdirektiven“ vom 18. bzw. 30. VI. 1838 wurde das Privilegiensystem aufgegeben, und Grund­sätze für die Konzessionen privater Bahnen entwickelt, die in modifizierter Form heute noch in vielen Punkten maßgebend sind. Die dominierende Stellung der Vereinigten Hofkanzlei in Eisenbahnangelegenheiten ging drei Jahre später bereits verloren, was durch eine Änderung der österreichischen Eisenbahnpolitik bedingt wurde. Das anfänglich große Interesse des privaten Kapitals an den drei neuen Unternehmungen (Kaiser Ferdinands-Nordbahn, Wien—Raaberbahn und Lombardisch-venezianische Ferdinands-Eisenbahn) hielt jedoch nicht an, da die finanziellen Ergebnisse der bereits eröffneten Strecken nicht den Erwartungen entsprachen und da die Baukosten weitaus die Voranschläge überstiegen. Die Gründer dieser Bahnen mußten sich bereits im Jahre 1841 um finanzielle Hilfe an die Staatsverwaltung wenden, und bei allen finanziellen Angelegenheiten, die direkt oder indirekt den Fiskus betrafen, hatte ja die Hofkammer das Entscheidungsrecht. Das kaiserliche Hand­schreiben vom 19. XII. 1841, das die erste Staatsbahnperiode in Österreich einleitete, entzog der Vereinigten Hofkanzlei einen Großteil der bisherigen Agenden auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens. Vom Jahre 1842 bis zur

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